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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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weinend, beginnt sie langsam auf den Strand zuzuschwimmen. Irgendwie fühlt sie sich jetzt besser als vorher. Es ist ihr beinahe gelungen, alles zu vergessen. Aber nur beinahe.

26
    Gegen sechs Uhr komme ich nach Hause. Ich gehe sofort unter die Dusche, weil ich hoffe, daß das warme Wasser alle Gedanken an M.s Erziehungszimmer und Frannys Ausflüge ans Meer wegwaschen wird. Leider funktioniert das nicht. Im Spiegel sehe ich die roten Flecken, die das heiße Wachs auf meinem Oberkörper hinterlassen hat, dazu die langen Striemen auf meinem Po und leichte Schürfwunden an den Handgelenken. Aber viel mehr als die Striemen und Brandmale schmerzt mich, wie sehr ich Franny vernachlässigt habe. Wie ist es bloß möglich, daß ich ihre Qual nie bemerkt habe?
    Ich ziehe eine lange Hose und eine langärmelige Bluse an. Dann gehe ich in den Garten hinaus, um den Grill anzuheizen. Ich bin eigentlich nicht hungrig, aber ich habe Ian eingeladen, zum Abendessen herüberzukommen. Ich höre das Telefon läuten und stürze hinein.
    »Hallo«, sage ich und warte auf eine Antwort. »Hallo«, wiederhole ich, als nichts kommt. »Ist da jemand?« Wieder nur Schweigen. Ich höre jemanden atmen, aber ich bekomme immer noch keine Antwort. Nur das Atmen wird lauter, bewußter.
    »Herrgott!« brumme ich ins Telefon. »Habt ihr kleinen Jungs denn nichts Besseres zu tun?« Mit diesen Worten lege ich verärgert auf. Ich weiß noch, daß meine Freundinnen und ich uns als Kinder stundenlang mit solchen Streichen amüsieren konnten und uns vor Lachen bogen, wenn unser Opfer am anderen Ende der Leitung sich ärgerte. Ich schalte meinen Anrufbeantworter ein. Falls sie noch einmal anrufen, werden sie aufgenommen. Ich gehe wieder nach draußen, um nach dem Grill zu sehen. Dann kehre ich in die Küche zurück und nehme die Pfanne mit den Hähnchenbrüsten und -schenkeln, die ich heute morgen mariniert habe, aus dem Kühlschrank.

    Auf der Küchentheke breitet ein winziger Reiher seine Flügel aus. Ians neueste Schnitzarbeit. Mir gefällt das Gefühl, das er darin eingefangen hat, die Spannung in den ausgebreiteten Flügeln, die angedeutete Bewegung. Die kleine Figur erinnert mich an die vielen Reiher, die ich in der Gegend um Sacramento schon gesehen habe.
    Ich entferne gerade die Plastikfolie von der Pfanne mit dem Huhn, als Ian hereinkommt – vielleicht sollte ich besser sagen, hereinstürmt. Er hat einen so schwungvollen, federnden Gang, scheint sich bei jedem Schritt ein wenig mit den Fußballen abzustoßen, daß man den Eindruck hat, er starte einen Überraschungsangriff, um den Raum durch die bloße Vorwärtsbewegung seines Körpers einzunehmen. Vor ein paar Wochen habe ich ihm einen Schlüssel zu meinem Haus gegeben. Was aber nicht bedeutet, daß meine Gefühle für ihn über Nacht intensiver geworden sind. Ich bin wie eine Ertrinkende, die verzweifelt versucht, eine Rettungsleine zu fassen zu bekommen: Während M. mich immer enger an sich zieht, strecke ich instinktiv die Arme nach Ian aus und hole ihn zu meiner eigenen Sicherheit näher heran. Er tritt hinter mich und schließt mich fest in seine kräftigen Wrestler-Arme.
    »Du riechst gut«, sagt er und küßt mich auf den Hals. Wahrscheinlich meint er das Shampoo, mit dem ich mir die Haare gewaschen habe. Entspannt lehne ich mich gegen seinen Körper, sauge die Wärme seiner Umarmung in mich auf und greife nach der Liebe, die er mir so großzügig anbietet. Er hat einen Baumstamm von einem Körper, standfest genug, um sich daran anzulehnen. Er kommt direkt vom Bee und trägt einen blauen Anzug, der am Rücken und in den Kniekehlen verknittert ist. Er hat seine Krawatte gelockert, sie hängt schief über seiner Brust. Er will sich von mir lösen, aber ich halte seine Arme fest.
    »Nicht so schnell!« sage ich. »Es ist ein gutes Gefühl, so von dir gehalten zu werden.«

    Er tut mir den Gefallen und schlingt seine Arme fester um meine Taille. Manchmal habe ich das Gefühl, daß mich Ian nur lange und fest genug zu halten braucht, um mich M. und alles, was mit ihm zu tun hat, vergessen zu machen. Ich wünschte, Franny hätte auch jemanden zum Festhalten gehabt.
    »Gibt es heute Huhn?« fragt er nach einem Blick über meine Schulter und läßt mich los.
    Diesmal erhebe ich keinen Einspruch. »Ja«, antworte ich. »Und du kommst genau richtig. Wenn du das Grillen übernimmst, mache ich den Salat.«
    »Gern«, antwortet Ian. Er zieht das Jackett aus, hängt es über einen Eßzimmerstuhl und

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