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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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Hämmern eines vor Entsetzen beschleunigten Herzschlags explodiert in meinen Ohren.
    »Entspann dich einfach«, sagt M. und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Versuch dich zu beruhigen. Du wirst es leichter haben, wenn du dich entspannst.«
    Ich sehe wieder zu ihm hinüber. Erneut versuche ich zu sprechen, aber er hat mir etwas in den Mund gestopft, und meine Worte kommen unverständlich heraus. Blinzelnd kämpfe ich mit den Tränen.
    »Schhh!« flüstert er und küßt mich sanft auf beide Augenlider. »Du siehst schön aus so. Hab keine Angst. Versuch, die Erfahrung zu genießen, wenn du kannst. Ich habe mir beim Einwickeln große Mühe gegeben. Ich wollte, daß du erlebst, wie es ist, sich völlig isoliert zu fühlen, ohne jede Sinneswahrnehmung durch die Haut. Ich habe dein rechtes Bein separat bandagiert, bevor ich beide Beine zusammengewickelt habe – damit du deine eigene Haut nicht mehr spürst. Deinen Oberkörper habe ich ebenfalls umwickelt, bevor ich deine Arme seitlich fixiert habe. Anschließend habe ich dich noch einmal ganz umwickelt, so daß du jetzt wie in einem Kokon steckst. Du dürftest eigentlich keine Haut mehr spüren, überhaupt nichts mehr, nur noch den Druck der Verbände.«
    Er legt eine Hand unter meinen Kopf und hebt ihn leicht an. »Ich wollte, daß du etwas sehen kannst, wenn du aufwachst«, sagt er. »Ich wollte, daß du deine Situation ganz erfaßt, aber jetzt werde ich den Kokon vollenden.«
    Wieder stöhne ich, versuche zu sprechen. Ich versuche, den Kopf zu schütteln.
    »Ich weiß, daß du Angst hast«, sagt er, während er eine weitere Binde um meinen Kopf wickelt und mir damit die Sicht
nimmt, »aber versuch dich zu entspannen. Es gibt im Moment nichts, was du tun könntest, also kannst du dich genausogut der Erfahrung überlassen, dem Gefühl der Isolation, dem Wissen, daß dein Leben von mir abhängt.«
    Inzwischen ist alles schwarz. Er hat den Verband in mehreren Lagen um meinen Kopf gewunden, so daß überhaupt kein Licht mehr zu mir durchdringt.
    Ängstlich warte ich darauf, daß er den Verband auch über meine Nase wickelt und mir die Luft zum Atmen nimmt, aber er läßt meinen Kopf auf die Couch zurücksinken.
    »Ich lasse dich jetzt eine Weile allein«, sagt er. Ich spüre, wie seine Hände über meine umwickelten Brüste streichen und dann an meinem bandagierten Körper hinuntergleiten. Mit sanfter Stimme sagt er: »Du siehst wundervoll aus, absolut wundervoll«, und dann höre ich ihn aus dem Zimmer gehen.
    Unter den Verbänden spüre ich, wie mein Körper zittert. Schwärze, nichts als Schwärze. Ich muß an die zweite Hälfte seines Todesszenarios denken: den hölzernen Sarg, das Geräusch, mit dem die Erde auf das Holz fällt, während er mich lebendig begräbt. Ich atme schneller, ringe verzweifelt nach mehr Luft. Das alles ist so unfair, daß ich am liebsten schreien würde. Ich will, daß mir jemand hilft. Die Bandagen fühlen sich enger an als noch vor ein paar Minuten, scheinen mich einzuschnüren. Werde ich auf diese Weise sterben? Ich fange zu weinen an, spüre, wie mein Körper bebt, höre mein gedämpftes Schluchzen. Das ist nicht fair, sage ich mir immer wieder. Das ist einfach nicht fair! Ich denke an all die Fehler, die ich gemacht habe. Ich habe mir eingebildet, die Oberhand zu behalten. Obwohl ich wußte, daß es nicht leicht würde, M. unter Kontrolle zu haben, war ich davon überzeugt, daß ich es schaffen würde. Ich habe mich getäuscht. Und zwar gründlich. Vor Panik geht mein Atem heftig und schnell. Ich bemühe mich, langsamer zu atmen. Bis zehn zählen und einatmen … wieder bis zehn zählen, dann ausatmen … ein… aus…

    Mein Körper fühlt sich schwer an, bleiern, als würde ich tiefer und tiefer in die Couch einsinken. Wieviel Zeit ist vergangen? Eine Stunde? Zwei? Drei? Ich glaube nicht, daß ich schon so lange hier liege, aber ich bin mir nicht sicher. Vielleicht war es nur eine Stunde. Draußen bellt ein Hund. Es ist nicht Rameau – sein Bellen klingt tiefer, bedrohlicher. Und eben ist ein Wagen vorbeigefahren. Ein… aus… Ich lausche angestrengt, versuche, die Gedanken und Bilder auszusperren, die mir durch den Kopf gehen, dankbar für jedes Geräusch, das ich höre. Ein Flugzeug. Weitere Autos. Irgendein Insekt, das sich ins Haus verirrt hat. Das leise Rumpeln eines weit entfernten Zuges …
    Wie lange bin ich schon hier? Und warum höre ich M. nicht? Ist er noch da? An einzelnen Druckpunkten, auf denen mein Körper

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