Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
überließen Felicity den abendlichen Aktivitäten auf dem Schiff.
Sobald sie allein waren, kam die Erfinderin gleich zur Sache. »Ich denke nicht, dass das Gift für Tunstell bestimmt war.«
»Nicht?«
»Nein. Ich glaube, dass es im ersten Gang war, den Sie zurückgewiesen und dann Tunstell überlassen haben.«
»Ach ja, ich erinnere mich. Ja, Sie könnten recht haben.«
»Was für ein eigenartiges Naturell Sie haben, Lady Maccon, dass sie einfach so akzeptieren, dass man sie beinahe ermordet hat.« Madame Lefoux legte den Kopf leicht schräg.
»Nun, die Angelegenheit ergibt auf diese Weise viel mehr Sinn.«
»Ist das so?«
»Aber sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tunstell viele Feinde hat. Hingegen hat man schon häufiger versucht, mich auszuschalten.« Lady Maccon fühlte sich auf eigenartige Weise erleichtert über diese Entwicklung. Ihrer Meinung nach war die Welt nicht in Ordnung, wenn nicht jemand versuchte, sie umzubringen.
»Haben Sie jemanden in Verdacht?«, wollte die Erfinderin wissen.
»Abgesehen von Ihnen?«, fragte Lady Maccon.
»Oha.« Die Französin wandte sich empört ab. Entweder war sie eine gute Schauspielerin, oder sie war unschuldig.
»Es tut mir leid, sollte ich Sie beleidigt haben«, sagte Lady Maccon, der es überhaupt nicht leidtat. Sie folgte der Erfinderin hinüber zur Reling, und gemeinsam blickten die beiden Frauen hinaus in den abendlichen Äther.
»Ich rege mich gar nicht darüber auf, dass Sie mich dazu fähig halten, jemanden zu vergiften, Lady Maccon. Es beleidigt mich, dass Sie glauben, ich würde dabei so tölpelhaft vorgehen. Wenn ich Ihren Tod wollte, hätte ich reichlich Gelegenheit gehabt, dies zu bewerkstelligen, und zudem verfügte ich über eine Vielzahl von Methoden, die weit weniger ungeschickt wären.« Sie zog eine goldene Taschenuhr aus der Westentasche, drückte auf einen kleinen Riegel an der Rückseite, und eine winzige Injektionsnadel schnellte aus der Unterseite hervor.
Alexia brauchte nicht zu fragen, was sich in der Nadel befand.
Madame Lefoux klappte sie zurück und steckte die Uhr wieder ein.
Mit einem langen, abschätzenden Blick betrachtete Alexia all die Schmuckstücke, die die Französin trug. Ihre beiden Krawattennadeln saßen an Ort und Stelle, die eine aus Holz, die andere aus Silber. Und da war noch eine weitere Kette, die in ihre andere Westentasche führte, entweder zu einer zweiten Uhr oder vielleicht irgendeinem anderen Gerät. Die Anstecknadel war ihr mit einem Mal verdächtig, ebenso wie die metallene Zigarrenhülse, die im Hutband des Zylinders steckte, denn wenn Alexia darüber nachdachte, hatte sie die Frau noch nie eine Zigarre rauchen sehen.
»Das ist wahr«, meinte Alexia schließlich. »Doch die primitive Natur des Versuchs könnte auch dazu dienen, mich hinsichtlich des Mörders in die Irre zu führen.«
»Sie neigen zum Argwohn, nicht wahr, Lady Maccon?« Die Französin sah sie immer noch nicht an, sondern schien den kalten, nächtlichen Himmel unendlich faszinierend zu finden.
Lady Maccon versuchte es mit Philosophie. »Möglicherweise hat das damit zu tun, dass ich keine Seele habe, doch ich halte es lieber für Pragmatismus als für Paranoia.«
Madame Lefoux lachte und drehte sich nun doch zu Alexia um. Die Grübchen waren zurückgekehrt.
Und aus heiterem Himmel traf etwas Alexia so heftig in den Rücken, dass sie nach vorn über die Reling gestoßen wurde. Kopfüber stürzte sie geradewegs über den Rand des Decks.
Alexia spürte, wie sie fiel, und schlug schreiend mit den Armen um sich, in dem unsinnigen Versuch, an der Wand des Luftschiffs Halt zu finden. Warum war das verflixte Ding nur so glatt? Der starre Auftriebskörper des Luftschiffs war geformt wie eine riesige Ente, und das Aussichtsdeck befand sich an der dicksten Stelle. Indem sie an der Luftschiffswand entlang nach unten fiel, entfernte sie sich zugleich auch immer weiter davon.
Da war dieser entsetzlich lange Augenblick, in dem Alexia bewusst wurde, dass alles aus war. In dem ihr bewusst wurde, dass alles, was die Zukunft noch für sie bereithielt, ein langer, kalter Strom vorbeirauschenden Äthers und dann Luft war, gefolgt von einem dumpfen Aufprall.
Und dann … dann wurde ihr Fall so jäh gestoppt, dass sie sich überschlug und hart mit dem Kopf gegen die Bordwand schlug. Der metallverstärkte Saum ihres Kleids, dazu gedacht, ihre üppigen Röcke daran zu hindern, in der Ätherbrise herumzuflattern, hatte sich an einem langen
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