Brennende Finsternis - Carriger, G: Brennende Finsternis - Changeless
bin erst seit wenigen Jahrzehnten ein Werwolf, aber mir war nich’ bewusst, wie sehr ich die Sonne vermisste«, meldete sich eines der jüngeren Rudelmitglieder zum ersten Mal zu Wort.
»Lachlan singt wieder.«
»Aber es nervt allmählich«, fügte ein Dritter hinzu. »Die Menschlichkeit, nich’ das Singen«, schickte er hastig hinterher.
Der Erste grinste. » Aye , man stelle sich nur vor, zuerst haben wir das Sonnenlicht vermisst, und nun vermissen wir den Fluch. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, zeitweilig ein Wolf zu sein, ist es schwer, wenn einem das wieder verwehrt wird.«
Der Beta warf ihnen allen einen warnenden Blick zu.
»Sterblich zu sein ist so unpraktisch«, beschwerte sich der Dritte, ohne dem Beta Beachtung zu schenken.
»Auf einmal dauert es eine halbe Ewigkeit, bis selbst die kleinste Schramme verheilt ist. Und man ist so furchtbar schwach ohne diese übernatürliche Stärke. Früher konnt’ ich ’ne Kutsche am hinteren Ende hochheben, und jetzt bekomm ich schon Herzklopfen, wenn ich Miss Hisselpennys Hutschachteln trage.«
Alexia schnaubte. »Dann sollten Sie erst einmal die Hüte darin sehen!«
»Ich hatte vergessen, wie man sich rasiert«, fuhr der Erste mit einem kleinen Lachen fort.
Felicity schnappte nach Luft, und Ivy errötete. Die Toilette eines Gentleman bei Tisch zur Sprache zu bringen – eine ungeheuere Indiskretion!
»Welpen!«, bellte Lady Kingair. »Jetzt is’ aber genug!«
» Aye , Mylady«, murmelten die drei Gentlemen, die alle zwei- oder dreimal so alt waren wie sie, und senkten die Köpfe.
Schweigen breitete sich an der Tafel aus.
»Also werden Sie alle älter ?«, wollte Lady Maccon wissen. Sie war wie immer ziemlich direkt, doch andererseits machte das bei ihr auch einen gewissen Charme aus. Der Earl sah zu seiner Ur-Ur-Ur-Enkelin hinüber. Es musste Sidheag regelrecht in den Wahnsinn treiben, dass sie Alexia, einem Gast, nicht den Mund verbieten konnte.
Niemand antwortete Lady Maccon. Doch der kollektive Gesichtsausdruck der Rudelmitglieder sprach Bände, wirkte er doch sehr besorgt. Sie waren wieder völlig menschlich. Oder zumindest so menschlich, wie Geschöpfe, die bereits einmal teilweise gestorben waren, werden konnten. Sterblich war vielleicht ein besseres Wort dafür. Es bedeutete, dass sie der Tod nun voll und ganz ereilen konnte, genauso wie jeden gewöhnlichen Tageslichtler. Und Lord Maccon befand sich in derselben Situation.
Lady Maccon kaute an einem kleinen Bissen Hasenbraten und schluckte ihn hinunter. »Meine Hochachtung dafür, dass Sie nicht in Panik ausbrechen! Aber ich bin neugierig: Warum suchten Sie keine medizinische Hilfe, als Sie in London waren? Oder haben BUR informiert, damit man der Sache nachging? Sie machten doch mit dem Rest der Regimenter in London Zwischenstation.«
Flehend sah das ganze Rudel Lord Maccon an, damit er sie vor seiner Frau rettete. Lord Maccons Miene sagte alles: Sie waren ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und er genoss es, Zeuge des Gemetzels zu sein. Dennoch hätte Alexia nicht zu fragen brauchen. Sie wusste, dass die meisten übernatürlichen Wesen den modernen Ärzten misstrauten, und dieses Rudel hatte sich natürlich nicht an das Londoner Büro von BUR gewendet, weil dieses von Lord Maccon geleitet wurde. Stattdessen hatten sie London so schnell wie möglich verlassen, sich in die Sicherheit ihrer heimatlichen Höhle zurückgezogen und ihre Schande zu verbergen versucht, den Schwanz zwischen die Hinterläufe geklemmt – im übertragenen Sinne natürlich, da das im wörtlichen nicht mehr möglich war.
Sehr zur Erleichterung des Rudels wurde der nächste Gang aufgetragen: Kalbfleisch-Schinken-Pastete, dazu als Beilage Rote Beete und Blumenkohlpüree. Doch Lady Maccon ließ sich nicht ablenken und wedelte fordernd mit der Gabel herum. »Also, wie ist es passiert? Haben Sie verseuchtes Curry oder so etwas gegessen, als Sie in Indien waren?«
»Ihr müsst meine Frau entschuldigen«, bat Lord Maccon mit einem Grinsen. »Sie gestikuliert gern. All das italienische Blut.«
Wieder folgte peinliche Stille.
»Sind Sie alle krank? Mein Mann glaubt, dass Sie unter einer Seuche leiden. Werden Sie auch ihn anstecken?« Lady Maccon warf dem Earl neben ihr einen schnellen Blick zu. »Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll.«
»Vielen Dank für dein Mitgefühl, Weib.«
Der Gamma (wie hatte man ihn gerade genannt? Ach ja, Lachlan) sagte scherzend: »Na, mach mal halblang, Conall. Von
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