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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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kleiner Fuß. Der einer Frau oder eines schmächtigen Mannes.«
    Tokaro eilte unter dem Bogen hindurch, darauf achtend, die Mauer als Deckung in seinem Rücken zu haben. Er streift über den Hof, suchte nach Hinweisen. Diese Toten wiesen Schnittspuren an den Hälsen auf, Zeichen der Gegenwehr gab es keine. »Sie wurden niedergestochen«, sagte er leise und winkte die anderen zu sich. Eine Spur aus blutigen Füßen führte ins Haupthaus. »Wir folgen ihr.«
    Lorin wunderte sich, mit welcher Ruhe Tokaro die Opfer untersuchte. Er fand die Stille und die rätselhaften Morde mehr als unheimlich, sah in jeder dunkleren Nische einen Angreifer hocken. Als er Estras Blick begegnete, merkte er, dass er mit seinen Empfindungen nicht allein war. Sie gelangten in die Halle, in der im mannshohen Kamin ein großes Feuer loderte. Die Flammen beleuchteten den Leib einer Frau, die zwei Schritt davon entfernt zusammengekrümmt lag und mit Wunden übersät war. Überall lagen tote Krieger und abgeschnittene Körperteile umher, es gab auf dem Fußboden mehr Stellen mit als ohne Blut.
    Estra drängte sich nach vorn. »Bei den Göttern! Das ist meine Tante!« Sie eilte zu ihr, kniete sich neben sie. Die Brust hob und senkte sich schwach. »Sie lebt noch!«
    Fiomas lehmbraune Robe hatte sich mit ihrem und fremdem Blut voll gesogen, das Rot umspülte ihre dunkelgrünen Haare. Die bernsteinfarbenen Augen richteten sich auf Estra. »Die Nicti«, flüsterte sie.
    »Sie sind mir gefolgt und haben nach euch gesucht. Vergebt mir, ich führte sie unbewusst hierher.«
    Tokaro stellte sich neben Estra, die Spitze seines Schwertes zielte wie zufällig auf die Kehle der Kensustrianerin. »Was ist geschehen?«
    »Sie haben die Burg angegriffen, nachdem mir die Torwächter geöffnet hatten. Sie wähnten sich am Ziel.« Fioma hob ihre blutverschmierte Hand. »Sie haben alle getötet und sind wieder verschwunden. Sie ziehen durch die Wälder und
    suchen nach dir, mein Kind.« Sie nickte Tokaro zu. »Beschütze
    sie gut, Ritter.«
    »Fioma, was ...« Estra stockte. Die Verwundungen waren immens. Ihre Tante, die sie in Khömalin vor wenigen Wochen zum ersten Mal gesehen hatte, würde in den nächsten Augenblicken sterben. »Was wolltest du von uns?«
    »Sie wird nicht nach Kensustria zurückkehren!«, sagte Tokaro scharf. »Wir sind auf Priester getroffen, Priester wie du, die uns umbringen wollten.«
    Fioma kümmerte sich nicht um ihn, sondern griff nach Estras Hand. Sie wechselte ins Kensustrianische. »Du bist die Nachfahrin einer Gotteslästerin, Estra. Die Nicti suchen dich, weil sie ebenso verdorben sind wie deine Mutter. Sie sind gekommen, um Kensustria auszulöschen und dieser Lästerung die Krone aufzusetzen.« Der Druck ihrer Finger wurde stärker. »Ich beschwöre dich: Lass es nicht zu! Nur du kannst Kensustria vor dem Untergang bewahren, indem du dich den Nicti entgegenstellst. Du besitzt Macht über sie.«
    »Welche Macht soll das sein?« Estra fühlte sich hin und her gerissen. Was sie hörte, tat ihr weh, zerstörte das Bild von ihrer Mutter als eine liebende und zugleich verfluchte Frau.
    »Das Amulett«, stöhnte Fioma. »Das Amulett, das Belkala trug. Sie trachten danach und wollen es ...«
    Sie bäumte sich auf, Blut rann aus ihrem Mund. Ihre Hand krampfte sich in Estras Nacken. »Rette Kensustria, und alles wird dir vergeben sein. Vertreibe die Nicti mit dem, was sie suchen.« Ihr Griff lockerte sich, sie fiel auf den Boden zurück und ächzte, das Leben fuhr aus ihr. Estra schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Die Aufregung, der Anblick der vielen Toten, der Tod ihrer Tante ‐ all das schlug sich in Tränen nieder, die über ihre Wange rollten und auf ihr Kleid tropften. Sie fühlte sich rettungslos erschöpft und überfordert. Es war ihr zu viel. Aus dem Mädchen war eine Inquisitorin und jetzt eine Verfolgte geworden, die eine Aufgabe aufgebürdet bekam, die sie nicht erfüllen wollte. Und unter Umständen gar nicht erfüllen konnte. Estras Gedanken verschwammen, ein Nachdenken war ihr unmöglich.
    Tokaro verstaute das Schwert und zog die junge Frau auf die Beine, schlang die Arme um sie und tröstete sie. »Was hat sie gesagt?«
    »Dass ich die Nicti vertreiben kann«, schluchzte sie undeutlich. »Aber ich weiß nicht, wie es funktionieren soll.«
    »Versuchen wir es mit einem Besuch bei König Perdor. Er wird uns helfen können.« Tokaro wies Gän und Malgos an, das Tor zu schließen und die Leichen im Hof an einer Stelle zu

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