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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Sotinos aus der Küche ins Zimmer gebracht hatte. Mehr brauchte er nicht. »Es kam kein Blut aus ihrer Wunde, habt Ihr es nicht bemerkt? Das war wohl ein untrügliches Zeichen, dass Ihr keinen Menschen getötet hattet.«
    »Ist das so?« Sotinos sah an die Stelle, wo sich der tiefe Schnitt an Lodriks Hals befunden hatte. Jetzt war nur mehr eine feine weiße Linie zu erkennen. Er seufzte und nahm einen Schluck aus der beinahe leeren Flasche. »Zvatochna vermag einen Leichnam zu befehligen, ohne dass sie in seiner Nähe ist.«
    »Ja.« Lodrik versuchte sich zu erinnern, was mit dem Buch geschehen war. Dem Buch der Toten, des Wissens über Nekromantie in verschiedenen Formen. Es war lange her, das er es gelesen hatte. Er konnte sich nicht an einzelne Kapitel oder daran entsinnen, was er mit dem Buch getan hatte. Hatte er es verbrannt? Hatte Norina es gefunden und verbrannt? Jedenfalls besaß seine Tochter ebenbürtiges Wissen, glücklicherweise weniger magische Macht, um es auszureizen. »Ja,
    anscheinend kann sie es.«
    Sotinos versuchte, sich aufzurichten, was ihm der Branntwein in seinem Verstand erschwerte. »Und wenn sie noch in der Stadt ist?«
    »Wärt Ihr schon lange tot. Seid unbesorgt.«
    »Unbesorgt ‐ umgeben von Leichen?« Er sank zurück und schauderte, dann horchte er. »Habt Ihr das gehört?«
    Lodrik nickte. »Wölfe. Sie haben das Blut gerochen und schlagen sich die Wänste voll. Die Winter in Borasgotan sind hart und die Räuber froh für jede leichte Beute.«
    Sotinos nahm das Beil und wollte sich schwankend erheben. »Nein! Ich lasse nicht zu, dass die gierigen Zähne sich in das Fleisch palestanischer Frauen senken!« Benebelt vom Alkohol, sank er auf den Sessel zurück. »Fresst die Tzulandrier!«, schrie er. »Hört ihr, ihr Bestien? Fresst sie zuerst!« Er schluchzte und warf die Flasche in den Kamin. Das Glas zerschellte und die letzten Tropfen des scharfen Alkohols fachten die Flammen an. »Was tun wir jetzt?«, wollte er mutlos wissen.
    »Die Königreiche vor ihr warnen, Borasgotan mit eingeschlossen. König Perdor muss es erfahren, und diese Aufgabe werdet Ihr beide übernehmen. Ich suche nach meiner Tochter und sende in regelmäßigen Abständen Nachrichten nach Ilfaris. Perdor soll unterdessen eine Versammlung einberufen und einen Regenten für Borasgotan bestimmen.« »Welche Gefahr geht von Zvatochna aus?«
    »Wir haben ihren ersten Plan vereitelt. Sie ist aus irgendeinem Grund geschwächt, sonst hätte sie nicht die Flucht vor
    uns ergriffen. Also sucht sie sich einen Ort, an dem sie sich ungestört ausruhen darf. Danach wird sie einen erneuten Versuch unternehmen.« Lodrik stand auf. »Schlaft, Puaggi. Ich treffe mit Eurer Erlaubnis Vorbereitungen für die Bestattung der Toten. Wir können keinen Unterschied zwischen Palestanern und Tzulandriern machen.« Er ging zur Tür und öffnete sie. Ein Wolf stand vor der Schwelle, knurrte ihn an und rannte letztlich vor ihm davon. Es gab keinen Grund für eine Attacke.
    »Wie soll das ...?« Er sah, wie Lodrik auf die Petroleumlampe deutete, und verstummte. Die Stadt würde sich in einen großen Scheiterhaufen verwandeln. »Es ist gut so«, willigte er ein. »Ulldrael wird die Seelen meiner Landsleute empfangen, und die anderen mögen zu Tzulan fahren.«
    Lodrik, der einen Schritt nach vorn machte, verharrte für die Dauer eines Lidschlags. »So sei es.« Er kehrte auf die Straße zurück und zog die Tür hinter sich zu.
    Sotinos richtete den Blick auf den schlafenden Kapitän. »Mein armer Freund«, bedauerte er ihn leise, stand auf und legte eine Decke um ihn. Dann schürte er das Feuer und ging in die Küche, wo er eine angebrochene Flasche Wein gesehen hatte. Er fühlte sich inzwischen wieder gefährlich nüchtern. Als er aus dem kleinen, schmierigen Fenster schaute, sah er Lodrik sicheren Schrittes über die Toten wandeln und die Gasse entlang gehen. »Vintera, du hast einen Gemahl erhalten, wenn du mich fragst«, murmelte er und zog den Korken aus dem Flaschenhals. Er trank, legte dabei den Kopf zurück und blickte ungewollt zu einer Dachgaube, über die der Oberkörper eines Tzulandriers hing. Wie sind sie da hinauf gelangt?, fragte er sich. Jetzt, wo
    Lodrik das Haus verlassen hatte, fielen ihm unzählige Fragen
    zur Kunst der Nekromantie ein. Was für eine Macht die Angst besaß, wusste jeder. Hatte Zvatochna die Krieger damit dazu gebracht, auf die Dächer zu steigen? Hatten sie in ihrer Furcht versucht, dem Grauen zu entkommen, und

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