Brennende Sehnsucht
Jahr bekommen wirst, denn du bist ja selbst für eine Gouvernante zu abstoßend.«
Deirdre hätte nicht gedacht, dass Sophie noch blasser werden könnte, als sie bereits war, aber Tessa gelang es, sie nahezu so weiß wie Papier werden zu lassen. Selbst Tessa schien wegen ihrer offenen Grausamkeit bestürzt. Die drei Frauen standen eine Weile in unbehaglichem Schweigen wie erstarrt da.
Dann schnaubte Tessa und marschierte zur Tür. Als Tessa weg war, wurde die Atmosphäre ein wenig leichter, aber Deirdre wusste nicht, was sie zu Sophie sagen sollte, die noch immer wie erstarrt und leichenblass dastand. Sie wünschte, sie wüsste, wie sie diesen Ausdruck von ihrem Gesicht nehmen könnte!
»Sophie«, sagte sie schließlich aufmunternd, »lass uns Karten spielen.« Es war das Einzige, was ihr eingefallen war.
Sophie atmete tief ein. Deirdre beobachtete sie, wie sie zum Kartentisch taumelte und die Spielkarten aus ihrer Schublade holte. Sie hielt einen Moment inne, um ihre Augen fest zusammenzukneifen. Deirdre wusste aus eigener Erfahrung, dass das manchmal half, die Tränen zurückzuhalten.
Bei Sophie schien es zu funktionieren, denn sie konnte sich danach zu Deirdre umdrehen und mit einem Gesichtsausdruck, der fast ein Lächeln war, sagen: »Ja, lass uns das tun.«
Deirdre saß am Tisch, als Sophie mit den Karten hinüberging. Wenn es ihr gelänge, dass Sophie jedes Wort von Tessas schrecklicher Beleidigung vergäße, dann wäre es den Versuch wert.
Nun, vielleicht nicht vergäße, aber wenigstens den Schmerz linderte.
Außerdem: Was konnten sie schon tun, um Phoebe zu helfen, bevor sie nach Brook House zurückkehrte?
Fünfunddreißigstes Kapitel
D ie Diener gingen davon und nahmen eine der Kutschenlampen mit, deren Schein in den verbliebenen Nebelschwaden immer undeutlicher wurde. Phoebe hielt den Blick aus dem Fenster gerichtet. Es war ihr unmöglich, Rafe anzusehen.
»Du weißt nicht, wie es ist«, flüsterte sie. »Ich war bereits dort. Ich habe jahrelang an diesem Ort gelebt. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich mich nicht gefragt habe, warum jemand den Blick abwandte, wenn ich an ihm vorbeiging, oder zwei die Köpfe zusammensteckten, um zu tuscheln, oder warum jemand die Straßenseite wechselte, wenn ich mich näherte. Die Angst darüber, dass es passiert war, war so groß, dass ich kaum atmen konnte.«
»So kann man nicht leben. Du kannst nicht immer Angst davor haben, dass das Beil fallen könnte.«
»Du hast recht. Das kann ich nicht. Deshalb muss ich Calder heiraten, nicht dich.« Sie blickte starr in die Ferne, wich seinem Blick aus. »Eine Herzogin zu sein – noch dazu eine reiche -, das ist der einzige Weg sicherzustellen, dass ich nie wieder Angst haben muss.«
Er wich zurück. »Bist du so sehr auf schöne Kleider und Schmuck versessen?«
Sie schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. »Ich mache mir nichts daraus.«
»Was ist es dann?«
»Du tust so, als würdest du es nicht verstehen, dabei weiß ich, dass du es verstehst. Wenn ich dich heirate, dann werde
ich ein lebender Skandal sein, die Frau, die einen Lebemann einem Herzog vorzog. Solange ich lebe, wird es bleiben, wie Fäulnis. Und unsere Kinder – denkst du denn gar nicht an sie? So eine Geschichte ist für Generationen von Klatsch und Tratsch gut.«
»Ich bin zeit meines Lebens das Ziel von Tratsch und Klatsch gewesen«, sagte er. »Es bringt einen nicht um.«
»Oh, doch. Das tut es«, wisperte sie. »Es erwürgt einen langsam. Es nimmt dir deine Freunde, einen nach dem anderen. Tag für Tag verlierst du ein Pfund Fleisch, bis du nur noch aus Knochen und Nerven bestehst. Ich habe Angst, es würde meine Liebe aushöhlen, bis ich nur noch Bedauern empfände. Wenn diese Angst mich schwach macht, dann sei es so. Ich bin ein Feigling, genau wie du glaubst.«
Er zuckte bei ihren Worten zusammen und atmete scharf ein. »Stimmt das? Hätte die Gesellschaft wirklich eine so große Macht über deine Gefühle zu mir?«
»So einfach ist es nicht.«
»Doch, das ist es. Es ist so einfach wie Atmen, wie das Schlagen deines Herzens. Ich gehöre zu dir. Du gehörst zu mir. Alles andere ist gleichgültig, und die Wahrheit über uns strahlt wie die hellste Sonne. Du gehörst zu mir. Für immer.«
Sie wandte das Gesicht ab, verschränkte die Finger fest ineinander. »Nicht.« Sie atmete tief und zitternd ein. »Bitte... nicht.«
Rafes Herz zog sich zusammen, als er begriff. »Es ist nicht so, dass du mich nicht liebst, stimmt’s?
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