Brennender Stahl (von Hassel)
Werft müssen, wird irgendein schlauer Kopf beschließen, dass die erfahrenen Leute auf andere Boote verteilt werden. Sind wir aber Frontboot ...«
Der Kapitänleutnant begriff, was sein IIWO andeutete. Es war alles eine Auslegung der Vorschriften, wie immer. Er nickte nachdenklich: »Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen Herr Schneider. Also alles nur, um die Besatzung beieinander zu halten?«
Der Leutnant grinste unbehaglich: »Ich habe da kurz vor dem Auslaufen was gehört, ...«
»Was haben Sie gehört?«, von Hassel blickte auf, denn die Begabung seines IIWO, etwas zu hören, war manchmal geradezu unheimlich.
»Die Leitstelle ruft seit Tagen nach U-33.Und gestern haben sie auch angefangen, vergeblich nach U-54 zu rufen.« Der Leutnant sah ihn abwartend an.
Von Hassel nickte, obwohl er sich wunderte, warum es so einfach war, mit seinem IIWO zu reden, selbst wenn Dinge politisch gefährlich waren. Aber sie fuhren ja nun schon eine Weile zusammen: »U-33 ist von Dreskys neues Boot?« Sie schwiegen einen Augenblick, dann meinte von Hassel: »Ich war kurz als IWO auf U-4, seinem alten Boot.«
Unwillkürlich nahm Schneider die Mütze ab, wie um den Toten die Referenz zu erweisen: »Ich kannte seinen IIWO auf U-33. Eine zusammen gewürfelte Besatzung, größtenteils aus Frischlingen.«
Von Hassel dachte nach. Natürlich lag es nicht immer an der Besatzung. Es gab viele Möglichkeiten, wie ein Boot verloren gehen konnte. Sie lagen ja gerade selbst wegen eines technischen Problems hier auf Grund. Nicht immer lag es an der Besatzung. Minen, Flugzeuge, es gab viele Gefahren. Trotzdem, eine gute Besatzung verbesserte die Chancen. Nun hatte es also seinen alten Kommandanten erwischt.
»Ist die Dreisternemeldung schon raus?«
Schneider schüttelte den Kopf: »Nicht das ich wüsste. Aber sie wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen, Herr Kaleun.« Er zögerte, dann zwang er sich zu einem Grinsen: »Mit einer gute Besatzung sind die Chancen besser, denke ich. Selbst mit einem angeschlagenen Boot.«
Von Hassel grinste ebenfalls etwas gequält: »Also gut, ich werde daran denken, wenn sich die Frage stellt, Leutnant. Nun gehen Sie mal zum Rückert und lassen ihn rumhorchen, ob er die Torpedoboote irgendwo hört.«
Nachdem sein IIWO gegangen war, blieb von Hassel allein in seiner Kammer zurück. Nun also von Dresky, davor Mugler und wenn sein IIWO recht behielt, dann jetzt auch noch Grosse von U-54. Sie waren zusammen auf dem Kommandantenlehrgang gewesen bevor er sein altes Boot übernommen hatte. Verdammt, und dabei standen sie erst am Anfang!
Wieder steckte Schneider den Kopf durch den Vorhang: »Ich hatte Recht, das Geleit entfernt sich nach Westen. Die T-Boote werfen Übungsladungen weit an Backbord, Herr Kaleun!«
Von Hassel erhob sich: »Na, das höre ich mir selber mal an.« Verblüfft schüttelte er den Kopf: »Na, da hatten wir ja mal wieder mehr Glück als Verstand!«
Die Übung wurde gezählt. Es war pures Glück gewesen. Zwei andere Boote hatten ungefähr zur selben Zeit von der anderen Seite angegriffen, und alle Augen im Geleitzug waren nach Steuerbord gerichtet gewesen. Erst im Nachhinein hatte man festgestellt, dass einige Torpedos die unter den Zielschiffen durchgelaufen waren, von der anderen Seite gekommen waren. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte U-68 bereits auf dem Grund der Ostsee gelegen und Kapitänleutnant von Hassel mit dem Schicksal gehadert.
Der Krieg war neu, und so konnten sie alle es nicht ganz fassen. Später würde man das als eine der vielen Geschichten abtun, die sich eben im Krieg ereigneten. Andere Boote sollten noch viel wildere Geschichten erleben und überleben. Und andere Boote würden noch wildere Geschichten erleben, aber nicht überleben. Noch war der Krieg allerdings neu und sie wussten es eben nicht besser.
So gut die Übungen taktisch für U-68 liefen, so sehr hatten sie immer wieder mit der Technik zu kämpfen. Ventile klemmten, auch wenn es nicht wieder so kritisch wurde wie beim Angriff auf das Übungsgeleit, ein Torpedo ließ sich nicht abfeuern, eine E-Maschine gab den Geist auf, und nach und nach hatten alle an Bord das Gefühl, als sei U-68 der Prototyp aller Montagsboote. Aber nichtsdestotrotz lernten sie, damit zu leben. Sie begriffen, was man besser nicht tat, obwohl es in den vielfältigen Bedienungsanleitungen gefordert wurde, und was man besser regelmäßig tat, auch wenn kein Handbuch davon etwas erwähnte.
Sie wurden Meister darin,
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