Brennendes Schicksal (German Edition)
bei denen man niemals sicher sein konnte, was sie in der nächsten Minute taten. Wenn er glaubte, einen Scherz gemacht zu haben, so brachen sie in Tränen aus, wollte er ihnen schmeicheln, so lachten sie mit aufgeplusterten Wangen, oder, das Schlimmste für den Bischof, sie fingen an zu keifen und zu streiten.
»Orazio wird nicht nach Florenz gehen. Ich verbiete es. Er ist der einzige Sohn und somit mein Erbe. Es gibt keinen Anlass, dass er die Laufbahn des Geistlichen einschlägt.«
Beatrice zuckte die Achseln und lächelte triumphierend. »Ich weiß nicht, wie du es verhindern wolltest. Er ist siebzehn Jahre alt und darf selbst entscheiden. Nun, und er hat sich für ein Leben in Tugend entschieden. Wenn du allerdings die Tugend in unserem Hause und in der Stadt wiederherstellen würdest, so ließe er möglicherweise noch einmal mit sich reden.«
»Mit anderen Worten, du stellst mich vor die Wahl: Entweder ich gebe Laura auf – wahrscheinlich wäre es dir am liebsten, ich jagte sie eigenhändig aus der Stadt -, oder ich verliere meinen Sohn an Florenz und in der Folge womöglich für immer die Chance um die Vorherrschaft in der Toskana. Du versuchst Gott, liebste Beatrice.«
»Ich? Pah! Ich höre wohl nicht richtig?«
»Doch, du hast durchaus richtig gehört: Du setzt den Frieden der Republik aufs Spiel, nur um deiner Eifersucht Genüge zu tun. Das, meine Liebe, wird dir einen Platz in der Hölle einbringen.«
»Ph!«
Beatrice strafte ihren Gatten mit einem abfälligen Blick, dann hob sie die schwarzen, freudlosen Röcke und rauschte zur Tür hinaus.
Angelo da Matranga aber blieb seufzend zurück. Zum ersten Mal überkam ihn die Ahnung, dass seine große Liebe zu Laura einen Preis hatte.
Nun, im Grunde hatte er sich nie viel aus seinem Sohn gemacht. Orazio schlug ganz nach seiner Mutter. Er war so hager, dass seine harten, spitzen Knochen scheinbar durch die Haut stießen. Dazu war er stets ein wenig kränklich, saß am liebsten vor dem Kamin und starrte freudlos in die Flammen. Begab er sich doch einmal außer Haus, dann folgte er meist seiner Mutter zu einem Gottesdienst oder begleitete sie auf ihren wohltätigen Gängen. Angelo da Matranga liebte Orazio, keine Frage. Doch er konnte mit ihm ungefähr so viel anfangen wie ein Freudenhaus mit einer Nonne.
Wieder seufzte er. Was sollte er tun? Nichts als Ärger hatte er am Hals. Doch dann erinnerte er sich plötzlich daran, wie sich Orazio verändert hatte, als er Laura zum Tanz geführt hatte. Sein bleiches Gesicht hatte Farbe bekommen, die Augen Glanz, und seine ganze Gestalt hatte weniger kantig und spitz gewirkt. Doch was half ihm, dem Visconte und Geliebten Lauras, dass sein Sohn ebenfalls von ihr bezaubert war? Im schlimmsten Fall gäbe es eine weitere Schieflage des Haussegens, wenn sich der Junge noch in sie verliebte.
Auch aus diesem Grunde hatte er nicht wirklich etwas dagegen, dass Orazio die Laufbahn eines Geistlichen einschlagen wollte. Als Bürgermeister und Herrscher über die Republik Siena war er denkbar ungeeignet. Aber mussten es ausgerechnet die Dominikaner in Florenz sein? Gab es denn hier in der Nähe keine Orden, die seinem Geschmack entsprachen? Was war mit den Antonitern? Soviel Angelo da Matranga wusste, hatten sie ganz in der Nähe ein Kloster. Er musste noch einmal gründlich über die Angelegenheit nachdenken. Aber wer sollte ihn dann beerben? Wer sein Lebenswerk fortsetzen und Siena zur Vorherrschaft über die Toskana bringen?
»Hmmm.« Der Visconte kratzte sich nachdenklich am Kinn und sann über eine Lösung nach. Als er nach einer Stunde noch immer keinen Einfall hatte, machte er sich auf den Weg zu Laura. Sie würde ihn gewiss auf andere Gedanken bringen. Und wer weiß, vielleicht hatte sie sogar einen Rat für ihn.
Den Schmerz in seinem Rücken und die wehen Knochen hatte Angelo da Matranga bei der Aussicht, Laura schon so bald wieder zu sehen, vollkommen vergessen.
Elftes Kapitel
»Ein schwieriges Problem«, fand auch Laura, als Angelo ihr alles berichtet hatte.
Inzwischen war es früher Abend, und die Dämmerung hatte sich bereits auf die Stadt nieder gesenkt. Das Haus war noch nicht erleuchtet. An der Decke von Lauras Zimmer spiegelten sich die letzten glutroten Strahlen der untergehenden Sonne, die von den gelben Butzenscheiben einen goldenen Überzug erhalten hatten. Die zahlreichen Kissen und Decken, die Kandelaber, die Behältnisse auf Lauras Spiegelbord schlummerten bereits in den Ecken, die vom Licht nicht
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