Brennendes Schicksal (German Edition)
dies, würde ich mir wohl einen eigenen Gönner suchen.«
Von draußen schlug die Turmuhr auf der nahen Piazza die neunte Stunde.
Laura gähnte verhalten und sah nach Angelino, der tief und fest in seiner Wiege schlief.
»Für mich ist es Zeit, ins Bett zu gehen«, sagte sie. »Ich habe Angelo versprochen, gleich nach dem Frühstück zu ihm zu kommen. Dafür muss ich ausgeruht sein; er braucht mich jetzt mehr als sonst.«
Circe sammelte die Notenblätter zusammen und verschloss das Spinett.
»Ja, ich werde auch schlafen gehen. Die letzten beiden Tagen waren doch recht anstrengend.«
Laura lag schon im Bett, als sie plötzlich Geräusche im Haus hörte. Eine Tür klappte, dann huschten leise Schritte die Treppe hinunter. Circe da Volterra! Nur sie hatte ihre Gemächer auf demselben Stockwerk wie Laura. Also konnte nur sie es sein, die sich hier in der Dunkelheit zu schaffen machte.
Schnell huschte Laura ans Fenster, öffnete leise einen der hölzernen Läden und spähte durch die gelb getönten Butzenscheiben. Viel sah sie nicht, doch die Gestalt, die aus der Haustür kam, sah sie deutlich – und erschrak bis in ihr Innerstes. Nein, das war nicht Circe da Volterra. Der Mensch, der sich nun im Schatten der Hauswände eilig in Richtung Campo bewegte, war kein anderer als Orazio da Matranga!
In Lauras Kopf überschlugen sich die Gedanken. Doch sie hatte keine Zeit, um lange zu überlegen. Schnell warf sie sich ihren großen, weiten Umhang über, schlüpfte in die weichen Ziegenlederstiefel und eilte der Gestalt hinterher.
Auch sie hielt sich dicht an den Hauswänden. Orazio hatte einigen Vorsprung, doch er blieb immer wieder stehen, sah sich um und lauschte in die Stille der Nacht, sodass Laura hin und her eilte, sich zwischen Mauernischen kauerte oder hinter den wenigen Bäumen versteckte, die ihren Weg begleiteten.
Orazio hatte jetzt den Campo erreicht. Er blieb stehen und ließ den Blick über den muschelförmigen Platz vom Rathaus bis hin zum Palazzo der da Matrangas schweifen.
Laura verharrte in einer Nische zwischen zwei Häusern und ließ ihn keinen Herzschlag lang aus den Augen.
Endlich ging er weiter, bog jedoch gleich wieder vom Campo aus in eine Gasse. Laura folgte – und wäre um ein Haar entdeckt worden, denn Orazio hielt sich am Anfang der Gasse hinter einer Bratküche versteckt. In letzter Sekunde gelang es Laura, in einen Seitengang, der die Gassen untereinander verband, zu schlüpfen.
Warum und worauf wartet Orazio?, fragte sie sich, doch gleich darauf erhielt sie die Antwort.
Zwei Nachtwächter machten die Runde. Sie liefen nebeneinander her, die Schwerter gut sichtbar am Gurt hängend, trugen Fackeln in der Hand und riefen dabei laut: »Liebe Leute, lasst Euch sagen, unsere Uhr hat zehn geschlagen. Danket Gott für diesen Tag und für den, der kommen mag.«
Die Nachtwächter schwenkten die Fackeln, leuchteten in jeden Winkel, und Laura hatte große Mühe, sich versteckt zu halten. Sie verbarg sich hinter mehreren großen Fässern, die ein Küfer auf die Straße gerollt hatte.
Orazio aber duckte sich hinter der Bratküche und machte sich so klein, dass der Schein der Fackel ihn nur am Rande streifte.
Als die Schritte der Nachtwächter verklungen waren, atmete Laura auf und lugte hinter den Fässern hervor nach Orazio, der gerade sein Versteck verließ und sich in Richtung Campo aufmachte.
Laura folgte ihm. »Also doch!«, murmelte sie wenig später. »Habe ich es mir doch gleich gedacht.«
Orazio verschwand nämlich just in diesem Augenblick im Dienstboteneingang des Palazzo da Matranga.
Auf leisen Sohlen, aber auf den Schutz der Hauswände verzichtend, eilte Laura über den Platz. Es wunderte sie nicht, dass sie die Dienstbotentür offen fand. Oft genug hatte sie bei den eigenen Mägden schon erlebt, dass diese sich zur Nachtzeit heimlich am Ufer des Flusses mit ihren Liebsten zu einem verschwiegenen Schäferstündchen trafen. Da es immer nur einen einzigen Schlüssel für die Dienstbotentüren gab, war es einfacher, die Türen gleich offen zu lassen.
Laura wartete einige Atemzüge lang. Ihr Herz schlug aufgeregt und so heftig gegen ihre Rippenbögen, als wollte es aus ihr herausbrechen. Sie hatte Angst. Jetzt, da sie still stand, merkte sie, dass ihre Knie zitterten. Und jetzt kamen auch die Fragen: Wenn Orazio tot war, wer war dann die Gestalt? Und weiter: Wenn Orazio nicht tot war, warum diese grauenvolle Posse?
Laura ahnte mehr, als es zu wissen, dass Angelo da Matranga in
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