Brennendes Wasser
fast noch genauso aus wie zu der Zeit, als sie beide für die Zeitung ihres Colleges gearbeitet hatten. Inzwischen wog der schlanke Cohen vielleicht ein paar Pfund mehr, und sein schwarzer Vollbart war leicht ergraut, aber er bewegte sich immer noch wie ein riesiger Kranich, und der Blick der blauen Augen hinter der Hornbrille war so durchdringend wie früher.
Randy bestellte einen großen Milchkaffee und führte Joe an einen etwas abseits gelegenen Tisch. Er trank einen Schluck, rühmte den Kaffee als vorzüglich und beugte sich vor. »Also, alter Freund, jetzt verrate mir mal, wieso die NUMA sich für Gogstad interessiert«, sagte er leise.
»Vermutlich hast du mitbekommen, dass im Meer vor San Diego eine Walherde tot aufgefunden wurde.« Cohen nickte.
»Wir haben die eventuelle Todesursache bis zu einer Firma an der Küste der Baja California zurückverfolgen können. Von dort aus bestand eine Verbindung zur Mulholland Group, und die wiederum gehört zu Gogstad.«
Cohens Blick verengte sich. »Was für eine
Art
von Firma?«
»Nicht lachen. Eine Tortilla-Fabrik.«
»Ich lache über rein
gar nichts
, das mit diesem Laden zu tun hat.«
»Demnach kennst du Gogstad.«
»Und zwar sehr gut. Deshalb war ich ja auch so verblüfft, als du danach gefragt hast. Ich gehöre zu einem Team, das schon seit fast einem Jahr über diesen Konzern recherchiert. Unsere Artikelserie wird ›Die Wasserpiraten‹ heißen.«
»Ich dachte, die Piraterie sei mit Captain Kidd ausgestorben.«
»Das hier ist größer, als Kidd je zu träumen gewagt hätte.«
»Was hat euch zu den Recherchen veranlasst?«
»Der pure Zufall. Wir haben Firmenfusionen untersucht, vornehmlich die von der stillen Sorte, die meistens kaum Aufsehen erregen, aber sich dennoch ziemlich deutlich auf das Leben der normalen Bürger auswirken können. Dabei sind wir irgendwann immer wieder über dieselbe schwache Spur gestolpert. Als würde ein Jäger im Wald ständig eine vom Schnee verwehte Fährte entdecken.«
»Und die Fährte gehörte zu Gogstad.«
Cohen nickte. »Wir haben Monate gebraucht, bis wir uns sicher waren, und selbst jetzt kennen wir nur einen Teil des Bildes. Gogstad ist riesengroß! Der Konzern besitzt Beteiligungen in Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar. Vermutlich handelt es sich um das größte weltweite Firmenkonglomerat aller Zeiten.«
»Zugegeben, ich lese nicht jeden Tag das
Wall Street Journal
, aber es überrascht mich, dass ich noch nie von diesem Verein gehört habe, wenn er tatsächlich so groß ist, wie du behauptest.«
»Da geht es dir wie allen anderen. Die Kerle haben Millionen von Dollar ausgegeben, um ihre Geschäfte zu verschleiern. Sie schließen geheime Verträge ab, benutzen Strohmänner, Tarnfirmen, was immer du willst. Gott sei Dank gibt es Computer! Wir haben die Daten in ein so genanntes Geographisches Informationssystem eingespeist. Das GIS verbindet die Angaben aus der Datenbank mit Punkten auf einer Landkarte. Die Polizei benutzt ein vergleichbares System, um die Verflechtungen des organisierten Verbrechens nachzuvollziehen. Wir haben ein paar tolle graphische Darstellungen von Gogstads internationalen Beteiligungen.«
»Wer steckt hinter diesem Mega-Konzern?«
»Wir sind uns ziemlich sicher, dass alle Fäden in der Hand einer einzelnen Person zusammenlaufen. Ihr Name ist Brynhild Sigurd.«
Zavala war als Herzensbrecher weithin bekannt, und so horchte er bei diesem weiblichen Namen ganz besonders auf. »Erzähl mir mehr von ihr.«
»Ich
kann
dir nicht viel erzählen. Sie ist nie auf der
Fortune
Liste der einflussreichsten Frauen aufgetaucht, obwohl sie dort an erster Stelle stehen müsste. Wir wissen, dass sie in den USA geboren wurde, ihre Eltern aber aus Skandinavien stammen.
Dann ist sie in Europa zur Schule gegangen und hat später eine Wasserbaufirma namens Mulholland Group gegründet.«
»Da war ich gerade. Ich hätte um einen Termin bei der Lady bitten sollen.«
»Das hätte nicht viel genutzt. Nominell ist sie zwar immer noch die Generaldirektorin, aber niemand bekommt sie je zu Gesicht.«
»Was hat der Name der Firma zu bedeuten? Das Büro liegt nicht am Mulholland Drive.«
Cohen lächelte nachsichtig. »Hast du je von dem Skandal um das Owens Valley gehört?«
»Ich glaube, es ging dabei um die Wasserversorgung von Los Angeles.«
»Richtig. Aus heutiger Sicht ist es nur schwer zu glauben, aber noch vor achtzig Jahren war L.A. lediglich ein kleines Wüstenkaff. Um zu wachsen,
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