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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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sich mit der rechten Hand durch die Haare und legte die Hand in den Nacken, die Stirn in tiefen Falten, den Kopf gesenkt. Wenn er diese Körperhaltung einnahm, pflegten seine Inspektoren möglichst unauffällig sicheren Abstand zu halten.
    Er musste sich bewegen. Nachdenken. Dupin nahm mit der linken Hand die Tasse, leerte den café in einem Zug, griff das Sandwich und steuerte den Strand auf der anderen Seite der Insel an.
    Das gefiel ihm alles nicht. Drei Opfer, die, wie es schien, gleich mindestens ein halbes Dutzend Feinde gehabt hatten und gleich vier imposant große Motive, die zwar vielleicht teilweise etwas exotisch anmuteten, doch allesamt hinreichend dramatisches Potenzial für einen Mord enthielten. Der Ausbau der Segelschule und der Streit um ihren »Geist«, eine Sache, bei der es um viel Geld und ideelle Werte ging. Der touristische Ausbau der Glénan, bei dem ebenso viel Geld wie hohe Ideale im Spiel waren. Die Lizenzgeschäfte von Medimare, bei denen es sich höchstwahrscheinlich ebenfalls um riesige Summen drehte. – Und Schätze auf dem Meeresgrund, die womöglich Millionen wert waren.
    Lächerlich. Dabei hatten sie in keiner Richtung bisher etwas wirklich Brauchbares herausgefunden. Und der Fall wurde immer größer: jetzt auch noch zwei Vermisste. Und ein anonymer Anrufer, der sich ja möglicherweise noch einmal melden würde – irgendwie wartete Dupin insgeheim schon darauf. Noch nie hatte er einen Mordfall zu lösen gehabt, bei dem es so viele mögliche Motive gab.
    Dupin war, ohne darüber nachzudenken, die Holzbohlen zum Strand hinuntergegangen und bis zur westlichen Spitze der Insel gelaufen, die jetzt bei Flut nicht mehr als hundert Meter entfernt war. Er blieb stehen. Exakt vor einem provisorisch aussehenden Schild, das man an einem einfachen Holzpfahl befestigt in den Sand gerammt hatte. Mitten im Nichts. Darauf war eine Hand abgebildet, die eine Weinflasche in eine stilisierte Landschaft warf, gebrandmarkt mit einem übergroßen roten Kreuz. Dupin brauchte einen Augenblick, bis er verstand. Es war eine »Werfen Sie Ihren Abfall nicht in die Landschaft«-Ermahnung, symbolisiert durch den am häufigsten vorkommenden Abfall der Inseln: leere Weinflaschen.
    Linker Hand lag eines der berühmten Narzissenfelder, von denen alle redeten, auch Nolwenn sehr gern und sehr ausführlich. Sie gehörten zum Kern des regionalen Stolzes der Cornouaille (wie mehrere Hundert andere Dinge ebenso). Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man die nicht mal zwanzig Zentimeter hohe blassgelbe oder cremeweiße – Dupin hatte schon letztes Jahr auf Penfret gedacht: sehr unauffällige – Narzisse das erste Mal kategorisiert und in den folgenden hundertfünfzig Jahren hitzig die botanischen Fakten und Geneaologien diskutiert, bis feststand: ja, sie war einzigartig, natürlich! Es gab sie nur hier auf den Glénan, es war eine eigene Narzissenart: die Glénan-Narzisse! Nachdem sie über ein paar Jahrzehnte vom Aussterben bedroht gewesen war, hatte man nun auf mehreren Inseln geschützte Wiesen als strenge Naturschutzgebiete angelegt, wo sie prächtig florierte. Zweihunderttausend einzelne Blumen, geschützt von einem eigenen Verein: der Assoziation zur Prosperiät der Glénan-Narzisse. Stolz war man vor allem auf die »mysteriöse Herkunft«. Denn angeblich wusste niemand genau, woher sie kam. Dabei stand fest, dass die Phönizier sie als Heilpflanze hierhergebracht hatten. Freilich war eine »mysteriöse Herkunft« interessanter. Und bretonischer. Ende April, Anfang Mai blühten sie für drei, vier Wochen und bildeten gelb-weiße Felder – die in ihrer Fülle dann doch beeindruckten, musste Dupin zugeben. Anders als die unscheinbaren einzelnen Pflänzchen.
    Dupin biss in sein Sandwich. Beinahe hätte er es schon wieder vergessen. Und das Baguette wie gestern die ganze Zeit herumgetragen, bis er sich blöd vorgekommen war und es diskret in die Wellen hatte fallen lassen. Was sich als äußerst unvorsichtig erwiesen hatte: Denn aus der einen Möwe (einer großen Mantelmöwe zudem), die im nächsten Moment zur Stelle gewesen war und sich auf das Sandwich gestürzt hatte, war nach wenigen Sekunden ein regelrechter Schwarm geworden, aufgeregt flatternd, kreischend, aggressiv – bis Dupin schnell das Weite gesucht hatte.
    Anjela Barraults Anzug war opalblau, hauteng und glänzte metallisch. Dupin hatte noch nie einen solchen Taucheranzug gesehen, die langen Neoprenarme schienen nahtlos in die Handschuhe überzugehen, nur

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