Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
ist mir ein Vergnügen.« Er trat aus Cornwells Sichtbereich. Der Agent spürte, wie er mit seinem Messer an den Stricken sägte, die seine Handgelenke hinter dem Rücken fesselten. Die Stricke gaben nach, und der Brite ächzte, als er seine Arme nach vorn zog. Von Krämpfen gepeinigt, konnte er sie kaum bewegen. Dolgikh befreite auch seine Beine und hob die durchgeschnittenen Stricke auf. Cornwell erhob sich mühsam und unsicher – und ohne Vorwarnung stieß ihn der Russe mit beiden Händen und aller Kraft nach vorn. Cornwell schrie auf, taumelte vor und brach durch die lockere Brüstung. Schreiend und um sich schlagend stürzte er in die Tiefe, begleitet von Gipsstaub und losen Backsteinen.
Dolgikh räusperte sich und spuckte ihm hinterher. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab. Von weit unten ertönten ein dumpfer Aufschlag und das Prasseln des auftreffenden Schutts.
Augenblicke später zog sich der Russe Cornwells leichten Sommermantel über, verließ die Zentrale und wischte hinter sich die Türklinke ab. Er nahm den Fahrstuhl zum Erdgeschoss und trat gemächlichen Schrittes aus dem Gebäude. Fünfzig Meter weiter hielt er ein Taxi an und ließ sich zum Flughafen fahren. Unterwegs öffnete er kurz das Fenster und warf ein paar kurze Stricke auf die Straße. Der Taxifahrer, der auf den lebhaften Verkehr achtete, bemerkte es nicht.
Gegen elf Uhr nachts hatte Dolgikh bereits seinen unmittelbaren Vorgesetzten in Moskau verständigt und befand sich auf dem Weg nach Bukarest. Wäre Dolgikh nicht die letzten vierundzwanzig Stunden außer Gefecht gewesen und hätte stattdessen die Möglichkeit gehabt, sich früher mit seiner Dienststelle in Verbindung zu setzen, hätte er erfahren können, wohin sich Kyle, Krakovic und die anderen begaben, ohne deshalb Cornwell umbringen zu müssen. Nicht, dass dies besonders ins Gewicht fiel, denn er hätte ihn ohnehin getötet.
Er hätte auf diesem Wege allerdings auch schon früher erfahren können, was die ESPer in Rumänien beabsichtigten, dass sie nach etwas … etwas unter der Erde suchten. Dolgikhs Vorgesetzter hatte sich nicht deutlicher ausgedrückt. Einen Schatz vielleicht? Das konnte er sich kaum vorstellen, und es interessierte ihn auch nicht. Er verbannte diese Frage aus seinen Gedanken. Was sie auch anstellten, es war jedenfalls zum Schaden Russlands, und das genügte ihm.
Nun saß er verkrampft in dem engen Passagiersitz einer Maschine, die gerade die nördliche Adria überquerte, lehnte sich zurück, soweit das möglich war, und entspannte sich ein wenig. Seine Gedanken schweiften weiter, während ihn das gleichmäßige Brummen der Motoren einlullte …
Rumänien. Die Region von Ionesti. Etwas unter der Erde. Das klang alles sehr eigenartig.
Und was das Merkwürdigste war: Dolgikhs unmittelbarer Vorgesetzter war einer von denen – einer dieser verdammten ESPer, die Andropow so verachtete. Der KGB-Mann schmunzelte und schloss die Augen. Wie würde Krakovic wohl reagieren, wenn er wüsste, dass der Verräter in seinem heiligen E-Dezernat niemand anders war als ausgerechnet sein eigener Stellvertreter, ein Mann namens Iwan Gerenko?
Yulian Bodescu hatte keine angenehme Nacht verbracht. Selbst seine schöne Cousine in seinem Bett – deren wundervoller Körper ihm ganz und gar zu Willen war – hatte die Albträume und Grübeleien und frustrierten Beinahe-Erinnerungen aus einer Vergangenheit, die nicht nur die seine war, nicht vertreiben können.
Das lag alles an diesen Beobachtern, glaubte Yulian, diesen verfluchten aufdringlichen Spionen. Was wollten sie? Was wussten sie? Was gedachten sie herauszufinden? Die letzten achtundvierzig Stunden über hatten sie ihn auf geradezu unerträgliche Weise gestört. Sicher, es gab keinen echten Grund mehr, sie zu fürchten, denn von George Lake war nur feine Asche übrig geblieben, und die drei Frauen würden sich niemals gegen ihn stellen – aber dennoch verblieben sie dort draußen! Wie eine juckende Stelle am Körper, die man nicht erreichen kann, um sich zu kratzen – jedenfalls im Moment noch nicht; aber das hing ganz von ihnen ab.
Sie hatten Yulians Albträume hervorgerufen, die Träume von Holzpflöcken, von stählernen Schwertern und grellen sengenden Flammen. Und dann waren da noch diese anderen Träume: Niedrige Berge in Form eines Kreuzes, hohe dunkle Bäume, das Ding unter der Erde, das ihn mit bluttriefenden Fingern zu sich heranwinkte … Yulian war nicht sicher, was er davon halten
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