Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
dann mit dem Hubschrauber des Dezernats direkt hierher. All das hatte sich unter dem Deckmantel absoluter Geheimhaltung abgespielt. Der KGB hielt seine schützende Hand über Dolgikh und seine ›Beute‹. Nicht einmal Breschnew – gerade er nicht – wusste, was an diesem Ort geschah.
Im Schloss hatte man Kyle ein Wahrheitsserum gespritzt, allerdings nicht, um seine Zunge zu lösen – darauf konnte man nicht hoffen –, sondern seinen Geist. Er war in einer tiefen Bewusstlosigkeit versunken. Und seit etwa zwölf Stunden hatte er, von gelegentlichen weiteren Spritzen unterstützt, den sowjetischen ESP-Agenten alle Geheimnisse von INTESP in seinen Gedanken enthüllt. Theo Dolgikh allerdings war das Ganze suspekt. Er bevorzugte andere Verhörmethoden.
»Was stellen die eigentlich wirklich mit ihm an, Genosse?«, fragte er. »Wie funktioniert das?«
Ohne Dolgikh anzublicken, weil seine blassbraunen Augen selbst der kleinsten Bewegung drinnen im Raum hinter dem Fenster folgten, antwortete Gerenko: »Ausgerechnet Sie müssen doch wohl schon mal von Gehirnwäsche gehört haben, Theo? Und genau das tun wir: Wir waschen Alec Kyles Gehirn. Und zwar so gründlich, dass es nach dieser Prozedur ziemlich ausgebleicht sein wird.«
Ivan Gerenko war so klein und zierlich, dass er beinahe wie ein Kind wirkte, doch seine faltige Haut, die wässrigen Augen und die insgesamt sehr blasse, fahle Erscheinung wiesen eher auf einen alten Mann hin. Er war jedoch erst siebenunddreißig. Eine seltene Krankheit hatte sein Wachstum behindert und gleichzeitig den Alterungsprozess beschleunigt, doch die Natur hatte ihm zum Ausgleich eine seltene Gabe verliehen: Er war ein ›Deflektor‹.
Ähnlich wie Darcy Clarke war er so etwas wie ein Glückspilz. Doch wo Clarkes Gabe ihm half, Gefahren zu meiden, lenkte Gerenko sie einfach ab! Jeder noch so gut gezielte Schlag verfehlte ihn; der Schaft einer Axt brach, bevor die Schneide auch nur seine Haut ritzte. Das brachte einen unschätzbaren Vorteil mit sich: Er hatte nichts zu befürchten und missachtete alle körperlichen Gefahren. Warum sollte er auch nicht? Deshalb behandelte er Männer wie Theo Dolgikh mit einem gehörigen Maß an Verachtung. Andere mochten ihn ablehnen, aber verletzen konnten sie ihn nicht. Niemand war fähig, Ivan Gerenko physisch Gewalt anzutun.
»Gehirnwäsche?«, wiederholte Dolgikh. »Ich hatte es für eine Art von Verhör gehalten!«
»Es ist beides.« Gerenko nickte und erweckte den Eindruck, er spräche mehr zu sich selbst, als Dolgikhs Frage zu beantworten. »Wir benutzen Erkenntnisse der Wissenschaft, der Psychologie und der Parapsychologie. Die drei großen Ts: Technologie, Terror und Telepathie. Die Droge, die wir ihm gespritzt haben, stimuliert sein Gedächtnis. Sie gibt ihm das Gefühl, ganz allein zu sein, von allen verlassen. Er glaubt, dass niemand außer ihm im Universum existiert, und er zweifelt sogar an der eigenen Existenz! Er will über seine Erfahrungen ›sprechen‹, sich mitteilen, um sich auf diese Weise zu bestätigen, dass er real ist, dass er existiert. Würde er das physisch vollbringen bei der Geschwindigkeit, mit der sein Gehirn arbeitet, würde er rasch ausbrennen und körperlich austrocknen, vor allem, wenn er dabei auch noch wach und bei Bewusstsein wäre. Außerdem interessiert uns eine solche Ansammlung von Erfahrungen, von Wissen, überhaupt nicht. Wir wollen nicht wahllos alles von ihm wissen. Sein Leben ist für uns im Allgemeinen uninteressant, doch die Einzelheiten in Bezug auf seine Arbeit für INTESP sind absolut faszinierend!«
Dolgikh schüttelte verwirrt den Kopf. »Stehlen Sie etwa seine Gedanken?«
»Genau! Diesen Einfall hatte bereits Boris Dragosani. Er war Nekromant, konnte also die Gedanken der Toten stehlen. Wir können das nur bei den Lebenden erreichen, aber wenn wir mit ihnen fertig sind, sind sie letzten Endes auch so gut wie tot!«
»Aber … ich meine, wie stellen Sie das an?« Dieses gesamte Konzept war einfach zu hoch für einen Mann wie Dolgikh.
Gerenko sah ihn an, nur ein flüchtiger Blick, ein Augenzucken in dem runzligen Gesicht. »Ich kann Ihnen nicht erklären, ›wie‹ es gemacht wird, nur eben ›was‹ wir tun. Wenn seine Gedanken sich mit etwas Gewöhnlichem, Uninteressantem beschäftigen, wird die gesamte Thematik schnell aus ihm herausgezogen und … gelöscht. Das spart uns Zeit, denn er kann später nicht mehr darauf zurückkommen. Wenn wir jedoch auf etwas Wichtiges stoßen, ›lesen‹ die
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