Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Nekromantie.«
Nekromantie! Davon hatte Thibor gehört. Die östlichen Barbarenstämme hatten ihre Zauberer oder Schamanen, die den Bauch eines Verstorbenen öffneten, um aus den Innereien die Geheimnisse ihres vergangenen Lebens herauszulesen.
»Nekromantie.« Faethor nickte, da er Thibors Gesichtsausdruck bemerkt hatte. »Jawohl. Ich werde es Euch sehr bald schon lehren. Ich war dadurch in der Lage, meine Wahl zu untermauern, als ich Euch zum zukünftigen Wirt meines Nachkommens machen wollte. Denn wer könnte mehr über Euch und Eure Taten, Eure Stärken und Schwächen, Eure Reisen und Abenteuer wissen als ein früherer Kamerad?«
Er hielt inne und drehte mit einer mühelosen Bewegung den Körper des hageren Wallachen auf den Rücken. Und Thibor sah, was man ihm angetan hatte. Es war nicht das Werk eines Wolfsrudels gewesen, denn der Körper war nicht angefressen.
Der magere Wallache – zu Lebzeiten ein aggressiver Mann, der stets mit vorgeschobenem Kinn einherschritt – erschien jetzt noch magerer. Sein Rumpf war von der Kehle bis zum Bauch geöffnet worden. All seine Röhren und Därme und Organe hingen lose heraus, und das Herz baumelte sogar nur noch an einer einzigen Sehne. Es war offensichtlich herausgerissen worden. Thibor hatte mit dem Schwert so manchen Gegner ähnlich aufgeschlitzt, ohne dass es ihn besonders beeindruckte. Doch der Ferenczy hatte selbst zugegeben, dass dieser Mann bereits tot gewesen war. Und diese fürchterliche Wunde war nicht das Werk eines Schwertes …
Thibor schauderte, wandte seinen Blick von der verstümmelten Leiche und musterte Faethors Hände. Die Fingernägel des Ungeheuers waren messerscharf. Noch schlimmer – Thibor wurde beinahe schlecht von dem Anblick –, auch seine Zähne wirkten wie geschliffene Messer. »Warum das?« Thibor brachte nur ein heiseres Flüstern zustande.
»Das habe ich Euch bereits gesagt.« Faethor wurde ungeduldig. »Ich wollte mehr über Euch erfahren. Im Leben war er Euer Freund. Ihr wart in seinem Blut, in seiner Lunge, in seinem Herzen. Auch im Tod war er noch loyal, denn er gab seine Geheimnisse nicht leicht preis. Seht, wie lose seine Innereien hängen. Ach, wie ich sie reizen musste, um ihnen seine Geheimnisse zu entreißen!«
Alle Kraft entwich aus Thibors Beinen, und er sackte in seinen Ketten zusammen wie ein Gekreuzigter. »Wenn ich sterben muss, dann tötet mich jetzt«, keuchte er. »Macht ein Ende!«
Faethor glitt näher, immer näher, blieb nicht einmal eine Armlänge vor ihm stehen. »Das erste Stadium der Existenz – der Urzustand für einen Wamphyri – erfordert den Tod nicht. Ihr glaubt vielleicht, dass Ihr sterbt, wenn der Samen die ersten Wurzeln in Euer Hirn schiebt und sie das Mark Eures Rückgrats betasten, aber Ihr werdet nicht sterben! Danach …« Er zuckte die Achseln. »Der Übergang mag quälend langsam oder auch blitzschnell erfolgen, das kann man nie sagen. Aber eines ist sicher: Es wird geschehen.«
Thibors Blut wallte noch einmal kraftvoll durch seine Adern. Er konnte immer noch wie ein Mann sterben.
»Wenn Ihr mir keinen sauberen Tod gönnt, dann erledige ich das selbst!« Er knirschte mit den Zähnen vor Anstrengung und zerrte an seinen Handschellen, bis das Blut aus den Adern seiner Handgelenke schoss. Und immer noch riss er an den Ketten, riss seine Wunden tiefer auf.
Faethors lang gezogenes Zischen ließ ihn innehalten. Thibor blickte von seinem grauenhaften Werk der Selbstzerstörung auf und … in den Abgrund der Hölle.
Dieses grauenhafte Gesicht, das sich mehr und mehr zur Höllenfratze verzerrte, befand sich keinen Atemhauch entfernt von seinem. Die überlangen Kiefer öffneten sich, und eine scharlachrote Schlange züngelte in der Dunkelheit hinter den Zähnen, die sich zu Dolchen verwandelt hatten.
»Ihr erdreistet Euch, mir Euer Blut zu zeigen? Das heiße Blut der Jugend, das Blut des Lebens?« Faethors Hals zog sich unvermittelt in einem Krampf zusammen, sodass Thibor schon glaubte, er werde sich übergeben, doch das geschah nicht. Stattdessen umklammerte Faethor seine Kehle, gurgelte erstickt und taumelte ein wenig. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, sagte er: »Ah, Thibor! Aber nun, ob Ihr dazu bereit seid oder nicht, habt Ihr das über Euch gebracht, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Meine Zeit ist angebrochen, und auch die Eure. Die Zeit für mein Ei, meinen Samen. Seht! Seht!«
Er riss den mächtigen Rachen auf, bis sein Mund zur Höhle wurde, und die
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