Bride 02 - Tempel Der Liebe
Sie unterdrückte ein Gähnen. »Kann das nicht bis morgen warten?«
»Zwei Bandenmitglieder waren in der Kneipe, in der ich arbeite. Ich habe gehört, wie sie über einen Fan-qui sprachen. Sie sollen viel Geld bekommen, wenn sie ihn umbringen. Es geht um einen Fan-qui, der unter Chenquas Schutz steht.«
Troth starrte ihn an, ihre Müdigkeit war wie weggeblasen. »Keiner würde es wagen, einen Fan-qui zu töten.«
»Vielleicht nicht. Aber die zwei schienen es ernst zu meinen. Sie sprachen davon, dem Fan-qui Lord Maxwell den Kopf einzuschlagen.«
Ihr Götter, wenn er noch immer in der Hog Lane war, würden sie ihn leicht finden. »Hast du diesen Lord Maxwell heute Abend gesehen?«
Teng zuckte die Schultern. »Ich kenne den Mann nicht, aber die Straßen sind voller Fan-quis. Er könnte dabei gewesen sein.«
»Wann hast du das Gespräch der Männer gehört?«
»Erst vor ein paar Minuten.«
Es würde zu lange dauern, wenn sie versuchte, Hilfe zu holen. Die Hog Lane war nicht sehr lang. Wenn die Götter gnädig waren, würde sie Maxwell finden, bevor es die Bandenmitglieder taten. Sie wollte gerade loslaufen, als Teng sie am Ärmel packte. »Meine Informationen haben ihren Preis.«
Sie riss sich los. »Du bekommst deine Belohnung morgen, ich schwöre es dir!«
Dann rannte sie los, an den Reihen der Hongs vorbei, in Richtung des Lärms und der Lichter der Hog Lane.
Sünde bleibt Sünde, auf der ganzen Welt, dachte Kyle. Trotzdem bot die grobe Herzlichkeit der Matrosen in den verschiedenen Kneipen eine willkommene Abwechslung zu der steifen Atmosphäre des Vorabends.
Kyle hatte seine ältesten Sachen angezogen. Trotzdem fiel er auf. Aber da er kein Schiffsoffizier war, wurde er überall schnell akzeptiert. Es war auch ganz nützlich, dass er Lokalrunden spendierte. Es wurde feuriger samshu getrunken. Das war ein Schnaps, mit dem man garantiert sein Bewusstsein und auch seine Magenschleimhaut loswerden konnte. Er trank wenig davon.
In den unteren Gesellschaftsschichten sprachen sich Neuigkeiten immer schnell herum. Das war auch hier der Fall. Er ging von Kneipe zu Kneipe, sprach mit Seeleuten verschiedener Nationen und ging Schlägereien geschickt aus dem Weg. Im Lauf des Abends sammelte er eine ganze Reihe von Meinungen zum Handel mit China. Allerdings wären seine zukünftigen Kollegen im Oberhaus entsetzt gewesen, wenn sie erfahren hätten, auf welche Weise er an diese Informationen gelangt war.
Doch das war ihm gleich. Als Junge hatte er immer davon geträumt, in ferne Länder zu reisen. Als es dann soweit war, wusste er, warum er solche Sehnsucht nach der weiten Welt empfunden hatte. Er war Viscount und Erbe eines Grafentitels. Damit war er vom ersten Atemzug an dazu verurteilt, zwar ein privilegiertes, aber doch sehr eingeschränktes Leben zu führen. Er kannte fast nur Menschen aus seiner eigenen Gesellschaftsschicht. Männer, die man dazu erzogen hatte, mit Macht umzugehen, und die so steif waren, wie es ihre Klasse verlangte. Deshalb fühlte er sich zu Menschen hingezogen, die anders waren als er. Einer der Gründe, warum er Constancia so geliebt hatte, war ihre spanische Herkunft gewesen. Sie war so exotisch und so warmherzig gewesen.
Aber in Asien hatte er Menschen, Gedanken und Gemeinschaften kennen gelernt, die wirklich völlig anders waren. Da gab es zum Beispiel den heiligen Mann in Indien, dessen Augen voller Wissen gebrannt hatten. Ihm war es einerlei gewesen, dass er Viscount Maxwell war. Das war auch seinen Schiffskameraden gleichgültig gewesen, als sie auf den Gewürzinseln Seite an Seite gegen Piraten gekämpft hatten. Nach dem Kampf hatte der Bootsmann gesagt: »Seine Lordschaft hat nicht wie ein verdammter Gentleman gekämpft.« Für Kyle war es eines der schönsten Komplimente gewesen, das er jemals bekommen hatte.
Auf seinen Reisen hatte er sich selbst kennen gelernt. Er hatte Freiheit und Toleranz dazu gewonnen. Selbst wenn er England nie wieder verlassen würde, hatten ihn seine Erfahrungen zu einem besseren Menschen gemacht. Er nahm an, dass er deshalb bereit war, nach Hause zurückzukehren. Trotzdem würde er die letzten Tage in diesem Land, das so anders als seine Heimat war, genießen.
Die Hog Lane endete an der Thirteen Factories Street. Diese verlief parallel zu der hohen Stadtmauer, die ein paar hundert Meter weiter entfernt lag. Kyle beschloss, sich die vielen kleinen Geschäfte auf der anderen Straßenseite lieber bei Tageslicht anzusehen. Er wollte sich gerade auf
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