Bride 02 - Tempel Der Liebe
mittleren Alters mit einem Teetablett auf sie zukam. Während sie sich mit Troth unterhielt, bekam Kyle sanft eine Tasse dampfenden Tee in die Hand gedrückt. Ungeschickt trank er einen Schluck. Er nahm an, dass man selbst einem tauben und blinden Großvater zutraute, mit einer Tasse Tee fertig zu werden.
Nachdem er getrunken hatte, nahm Troth die Tasse und ging mit der Frau hinein. Kyle versuchte sich auf dem Esel zu entspannen. Er musste sich in Geduld üben. In England war er es gewöhnt gewesen, dass Diener sich um alle niedrigen Dienste des Alltags kümmerten. Aber seit er sich auf Reisen begeben hatte, war dies anders geworden. Sein langjähriger Kammerdiener hatte es abgelehnt, seinen Herrn auf eine Reise in ferne Länder zu begleiten, und dessen Nachfolger war nur bis Indien mit Kyle gereist.
Da es ihm nicht gelungen war, einen annehmbaren Ersatz zu finden, hatte Kyle entschieden, während seiner Zeit in Kanton selbst für sich zu sorgen. Er hatte festgestellt, dass es ihm sehr behagte, nicht ständig einen Diener um sich zu haben, und genoss das Alleinsein. Jetzt kümmerte Troth sich um alles. Es fiel ihm ein wenig schwer, sich wieder an das Nichtstun zu gewöhnen.
Aber da bot sich ihm auch schon Unterhaltung. Ein kleines Kind lief zu seinem Esel. Während es Kyle mit ernsten Augen anblickte, hockte es sich auf den Boden. Sein Höschen hatte unten einen Schlitz, durch den es jetzt auf die Erde machte. Kyle traute seinen Augen kaum. Obwohl das Höschen des kleinen Jungen ungemein praktisch war, bezweifelte er, dass sich eine solche Erfindung in England durchsetzen könnte.
Zwei hübsche, stark geschminkte junge Frauen trippelten auf gebundenen Füßen über den Hof. Wahrscheinlich handelte es sich um Freudenmädchen. Die Herberge war bestimmt eine gute Geldquelle für sie. Eine nahm das Kind bei der Hand und führte es weg, die andere aber blieb stehen und betrachtete Kyle.
Sie war scheinbar zu dem Schluss gekommen, dass sich der Versuch lohnte, und tätschelte Kyles Knie - nein, seinen Oberschenkel. Ihre Hand glitt an seinem Schenkel hoch. Während sie ihn gut gelaunt etwas fragte, erstarrte er. Sein Körper reagierte auf die geschickte Zärtlichkeit. War dies ein landesüblicher Brauch, von dem Troth ihm nichts erzählt hatte?
Troth stürzte aus der Herberge und rief dem Mädchen grobe Beschimpfungen zu. Sie ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Daraufhin lieferten sich die beiden ein wüstes Wortgefecht. Es endete damit, dass das Mädchen verschmitzt lächelte und herausfordernd Troths Arm entlang strich. Dann drehte sie sich um und ging mit einladend wiegenden Hüften davon.
Leise fluchend führte Troth den Esel durch den Hof und half Kyle mit festem Griff am Ellbogen herunter. Man konnte direkt vom Hof in ihr Zimmer gelangen, in dessen Mitte ein großes Bett stand. Kyle blickte sich um. Troth ging zum Esel zurück, um das Gepäck zu holen. Das Zimmer war spärlich möbliert. Die schmalen, hohen Fenster waren mit Papier beklebt, durch das nur wenig Licht hereindrang. Er hatte schon in schlechteren Zimmern übernachtet.
Troth kam herein und versetzte der Tür einen Tritt, um sie zu schließen. Leise fragte er: »Was sollte die Sache vorhin im Hof?«
»War das nicht offensichtlich? Die gottverdammte Hure war auf Kundenfang.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Aber das Gespräch zwischen Ihnen beiden dauerte doch recht lang.«
»Ich habe ihr gesagt, dass Sie zu alt für solche Spielchen sind und dass sie Ihre Ehre beleidigt hat«, erwiderte Troth böse. »Woraufhin sie erwiderte, dass Sie nicht zu alt seien. Aus Ehrfurcht vor dem Alter würde sie Ihnen ihre Dienste sogar umsonst gewähren.«
»Welch gastfreundliches Land!«, sagte Kyle, den diese verrückte Geschichte ziemlich amüsierte.
Troth warf ihm einen messerscharfen Blick zu. »Soll ich das Mädchen rufen, damit Sie von seiner Großzügigkeit profitieren können?«
»Natürlich nicht. Aber ich bin ... beeindruckt« - er begann zu lachen -, »wie weit es mit der konfuzianischen Lehre von der Ehrung der Alten gediegen ist.«
Troth sprang auf ihn zu und hielt ihm den Mund zu. »Um Gottes willen!«, zischte sie. »Wollen Sie, dass die ganze Herberge auf uns aufmerksam wird? Jeder, der Sie hört, wird merken, dass Sie kein gebrechlicher Großvater sind.«
Er hörte auf zu lachen, als sie sich gegen ihn drückte. Er konnte durch die Gaze kaum ihr Gesicht sehen, aber die
Wärme ihres Körpers war deutlich spürbar. Die Erregung von vorhin
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