Bride 02 - Tempel Der Liebe
zum Schloss. Wie stets bereitete ihr die Gesellschaft Dominics eine bittersüße Freude. Auch wenn sie versuchte, Kyle aus ihren Gedanken zu verbannen, war es ihr in dieser verschneiten Nacht unmöglich, nicht von dem zu träumen, was niemals sein würde.
Sie hatten die Hälfte des Weges nach Warfield zurückgelegt, als Dominic ruhig sagte: »Die Feiertage machen alles noch schlimmer. Ich denke dauernd daran, dass Kyle im vorigen Jahr um diese Zeit noch lebte. Er verbrachte die Feiertage in Indien und schrieb mir, dass er das englische Weihnachten vermisse. Er ... er versprach, dieses Weihnachten in Warfield mit der Familie zu feiern.«
Troths Finger schlössen sich fester um Dominics Arm. Sie verstand, warum er ihre Gesellschaft gesucht hatte. Sie war der einzige Mensch in Warfield, der Kyle während der letzten sechs Jahre gesehen hatte. Ihre Gegenwart brachte ihn Dominic ein wenig näher. »Vor einem Jahr kannte ich ihn noch nicht einmal. Wie vermag eine so kurze Bekanntschaft so viel zu verändern?«
Dominic lächelte. »Meriel hat mein Leben innerhalb weniger Tage umgekrempelt. Dazu ist die Liebe fähig.« Sein Lächeln erstarb. »In meinem Innersten glaube ich nicht, dass Kyle tot ist. Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, ich bräuchte nur meinen Arm auszustrecken, um ihn zu berühren. Er scheint noch da zu sein, doch ... doch es sticht mir das Herz, wenn ich ihn suche.«
Diesen Schmerz verstand sie nur zu gut. »Vielleicht ist dies der Beweis, dass der Geist den Tod überlebt. Er lebt weiter, trauert aber allem nach, das er zurücklassen musste.«
Dominic blickte sie an. »Glaubst du das wirklich?«
Sie seufzte. »Ich möchte es.«
Sie kamen an einen Zaun. Dominic stieg hinauf und reichte ihr die Hand, um ihr hinüber zu helfen. Seit sie Dominic kannte, verstand sie Kyles Zuvorkommenheit besser. Es hatte ihn gestört, dass er sie nicht mit der Ritterlichkeit behandeln konnte, die einer Frau in seinen Augen gebührte. Wie hatte sie die Augenblicke geliebt, in denen Kyle sie umhegt hatte, als wäre sie kostbares Porzellan. Es war ein wohltuender Gegensatz zu dem Leben als Mann gewesen, das sie viel zu lange geführt hatte.
Ihre Rockschöße wirbelten den Schnee vom Zaun herunter, als sie auf den Boden trat. Nur ein oder zwei Zentimeter lockerer, weicher Schnee waren gefallen, gerade ausreichend, um die winterlichen Hügel in eine Märchenlandschaft zu verwandeln. »Kyle sagte, wenn du mir nicht glaubst, dass ich seine Frau bin, sollte ich dich nach dem Priester von Dornleigh fragen und wie du in einer Klemme warst. Du hast niemals Zweifel geäußert. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass ich eine Schwindlerin sein könnte?«
»Niemals.« Dominic hakte sie wieder unter, als der Pfad etwas eisig wurde. »Deine Liebe zu ihm ist offenkundig. Das kann man nicht vortäuschen.«
Troth kniff die brennenden Augen zusammen. War sie so leicht zu durchschauen? Hatte Kyle gewusst, dass sie ihn liebte? Vor allem zu dem Zeitpunkt, als sie ihre unschicklichen Gefühle mit aller Macht hatte verbergen wollen? Er hatte einen Führer und eine Geliebte gesucht, nicht eine liebeskranke Frau. Geschickt hatte sie sämtliche Täuschungsmanöver angewandt, um ihm die Mei-Lian zu zeigen, die er sehen wollte.
Jetzt, da es zu spät war, wünschte sie inständig, sie hätte ihm die Wahrheit gesagt.
Zweites Buch : DIE LANGE HEIMREISE
KAPITEL 28
Macao, Sommer 1832
Mit schwerem Herzen entkam Troth unerkannt aus Fengtang und setzte ihren Weg auf schmalen Nebenstraßen fort; so weit es ihr möglich war, mied sie auch die kleinsten Ortschaften. Um nicht auf sich aufmerksam zu machen, übernachtete sie im Freien. Auf keinen Fall durfte sie als Komplizin des Fan-qui erkannt werden. Nahm man sie gefangen, konnte sie Kyles letztem Wunsch nicht nachkommen, die Familie Renbourne von seinem Tod zu benachrichtigen.
Aus Furcht, dass jemand in Kanton sie erkannte, machte sie in westlicher Richtung einen Bogen um die Stadt - ein Umweg, der sie achtzig Meilen kostete, aber die körperliche Erschöpfung kam ihr gelegen. Sie betäubte ihren Kummer. Trotzdem war es eine willkommene Erleichterung, als das Fischerboot sie die letzte Strecke über den Kanal nach Macao mitnahm, dem einzigen Ort in China, in dem Europäer leben konnten.
Das bewegende Gefühl des Nachhausekommens ergriff sie, als sie die Praya Grande entlang ging. Macao war ihre Heimat; Kanton war es nie gewesen. Auf den Straßen sah sie Menschen aller Rassen, die
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