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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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ist ja wohl alles andere als unauffällig. Oder glauben Sie im Ernst, Sie könnten mit einem Mitglied des Politbüros im Schlepptau diskrete Nachforschungen anstellen?«
    »Keine Panik. Er reist in den Süden, um sich ›von einem kleinen chirurgischen Eingriff zu erholen‹. Es ist alles streng geheim. Dass wir zur gleichen Zeit dort sind, ist reiner Zufall.«
    »Das kauft Ihnen doch kein Mensch ab.«
    »Phosy, er verfügt über die nötigen Beziehungen. Er kann uns Informationen beschaffen, an die ich vermutlich nicht herankommen würde. Er weiß, was er tut.«
    »Ich sollte trotzdem mitkommen.«
    »Nein, mein Junge. Sie müssen hierbleiben. Wenn es uns gelingt, den Brief zurückzuverfolgen, brauchen wir hier jemanden, der die entsprechenden Maßnahmen in die Wege leitet. Ich werde regelmäßig zu Hause anrufen und Dtui den Stand der Ermittlungen durchgeben. Sie wird Sie auf dem Laufenden halten. Auf diese Weise umgehen wir die staatlichen Telefonleitungen und damit die staatlichen Abhörmaßnahmen.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass Ihr Telefon nicht auch verwanzt ist?«
    »Uns wird schon irgendein Schmu einfallen, ein simpler Code, um die Staatssicherheit zu täuschen. So schwer kann das wohl ja nicht sein. Warum sollen wir uns nicht auch einmal als Spione betätigen?«
    »Dr. Siri, sind Sie sicher, dass Sie wissen, was Sie tun?«
    »Ganz und gar nicht. Aber einen Versuch ist es allemal wert. Und aufregend ist es außerdem, finden Sie nicht?«

7
DIE NACHT, ALS BRUCE LEE LAOS RETTETE
    Wie Siri vorausgesehen hatte, stellte ihnen der sowjetische Botschafter seine Jak-40 für die Reise in den Süden zur Verfügung. Dass auch ein Mitglied des Politbüros um Mitnahme gebeten hatte, erleichterte die Sache ungemein. Civilai wurde direkt aufs Rollfeld gefahren und stakste O-beinig die Gangway hinauf, um das Mitleid etwaiger Zuschauer zu erregen. Hämorrhoiden waren schließlich nicht zum Lachen.
    Obwohl der Flug kurzfristig anberaumt worden war, befanden sich noch acht weitere Passagiere an Bord. Siri ließ sich auf einer Holzbank nieder und gab sich seiner Paranoia hin. Er musterte die Männer gegenüber und glich ihre Gesichter mit der Verräterkartei ab, die er in seinem Gedächtnis gespeichert hatte. Die vier russischen Bildungsexperten auf dem Weg zur Pädagogischen Hochschule kamen nicht in Frage. Die beiden Forstbeamten, die im Wartesaal hinter Siri gesessen hatten, waren schlicht zu laut. Sie hatten mit präzisen Zahlen um sich geworfen, um den unfreiwilligen Zuhörern zu demonstrieren, wie viele Millionen Kip dem Staat wegen des thailändischen Holzembargos täglich entgingen. Die beiden Armeeoffiziere hingegen saßen gefasst und in gemessenem Abstand in der betagten sowjetischen Verkehrsmaschine, die wie ein Wäschetrockner bebte und vibrierte.
    Bloßer Zufall?, überlegte Siri. Sie trugen ihre Uniformen voller Stolz und saßen kerzengerade, was den Schluss nahelegte, dass sie Zucht und Ordnung anderswo gelernt hatten als im laotischen Dschungel. Als er an Bord gekommen war, hatte er sie angelächelt, und einer von ihnen hatte zurückgenickt. Der andere, ein dünner Mann, dessen Haut sich über seinen Wangenknochen spannte wie geschmolzener Käse, hatte weggeschaut und so getan, als habe er ihn nicht bemerkt. Da die lärmenden Triebwerke der altersschwachen Jak jedes Gespräch unmöglich machten, prägte Siri sich das strenge, sonnengegerbte Gesicht fest ein. Trotz der unbequemen Sitze rührte sich der Soldat während des gesamten Fluges keinen Millimeter von der Stelle und starrte aus dem Fenster, das so klein war, dass man ohnehin nichts sehen konnte.
    Als Aristokrat des Politbüros hatte Civilai hinter den gelangweilten ukrainischen Piloten Platz genommen. Nicht gerade erste Klasse, dafür hatte der Ehrengast von hier aus einen herrlichen Blick auf die Blitzdolche, die über den tiefhängenden Wolken tanzten. Das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben: Im Verborgenen rührte es gewaltige Stürme auf, brachte das Hexengebräu des Monsuns zum Brodeln, hielt seinen lebensspendenden Regen bis zur letzten Sekunde zurück. Civilai wusste, dass es nicht mehr allzu lange dauern konnte, bis diese unbändige Macht über das Land hereinbrach und die darbende Erde überschwemmte. Sein Volk, das monatelang mit der Dürre gekämpft hatte, würde plötzlich mit den Fluten zu kämpfen haben. Eigentlich ungerecht, doch das Wetter ließ sich ebensowenig aufhalten wie … Ihn schauderte bei dem Gedanken an die

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