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Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Beck
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sah sie kurz fragend an, vertiefte sich dann aber wieder in den Katalog. Em sah im zweiten Schlafzimmer nach. Es war leer, aber sie hörte Stimmen. Am anderen Ende des großzügigen Raums gab es ein weiteres Badezimmer, und dort stand Jay zusammen mit ein paar anderen Leuten. Hier war nichts mehr von der ausgelassenen Stimmung zu spüren. Als sie sie sahen, verstummten sie. Einige drehten ihr den Rücken zu, andere blickten auf den Boden. Jay sagte: »Ist die Polizei schon da?«
    Sie nickte. »Ich muss abhauen.«
    »Es geht darum, dass wir eben nicht abhauen«, sagte einer. Er trug einen schwarzen Kapuzenpulli, der ein Plattencover von Joy Division zeigte, und sprach mit einem Akzent. Niederländisch vielleicht. »Wo wäre da der Sinn?«
    »Sie wird gesucht«, erklärte Jay.
    »Scheiße«, sagte der Joy-Division-Fan, meinte damit aber offensichtlich nicht Ems Situation, sondern seine eigene. »Warum bringst du sie dann mit? Ich habe immer gesagt, wir müssen die Aktionen sauber halten. Keine Chaoten und so. Und dann bringst du eine mit, die gesucht wird? Was soll das denn?«
    »Beruhig dich. Lange Geschichte.«
    »Wegen was sind sie hinter dir her?«, fragte der aufgebrachte Junge.
    »Nicht wegen Drogen oder was du denkst«, sagte Jay schnell.
    »Wegen Mord«, sagte Em, die anfing sich zu ärgern. Doppelmoral, dachte sie. Machte sich selbst strafbar mit dieser Aktion und echauffierte sich dann über sie.
    Die anderen hatten sich nach draußen verzogen, nur noch der Kapuzenpulli, Jay und Em waren im Badezimmer.
    »Das ist ein Scherz«, sagte der Kapuzenpulli.
    »Nein.«
    »Natürlich war sie’s nicht«, sagte Jay.
    »Sieh zu, dass du sie an den Bullen vorbeischaffst!«
    »Ja, das wäre mir ehrlich gesagt auch sehr recht«, sagte Em.
    Eine Frau steckte den Kopf zur Tür herein. »Sie sind oben«, sagte sie. »Vier. Aber es kommen noch mehr.«
    »Das war schnell«, fragte Jay.
    »Okay, ich muss raus. Du filmst?«, fragte Kapuzenpulli die Frau und ging.
    »Wir könnten einfach die Tür zumachen und hierbleiben, bis alle weg sind«, schlug Jay vor.
    »Hast du das eigentlich absichtlich gemacht?«, fragte Em.
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    Von draußen hörten sie laute Stimmen. Die Musik verstummte, und nun wurde noch mehr geschrien.
    »Friedlicher Protest geht anders«, sagte Em.
    »Irgendwas stimmt nicht.« Jay öffnete die Tür einen Spaltbreit und lauschte. »Das läuft sonst nicht so ab. Die kennen die Fette-Mieten-Partys. Die sind genervt, okay, aber …«
    Spitze Schreie waren zu hören, dann wieder laute Stimmen. Einige riefen um Hilfe. Jay sah Em kurz fragend an. Sie nickte nur. Dann rannte er raus.
    Sie schloss die Tür hinter ihm und setzte sich auf den Rand der Badewanne. Es war ein Luxusbad der Extraklasse, genau wie es in den Katalogen stand. Marmor, vergoldete Armaturen, riesige Spiegel. Em war in einem Umfeld aufgewachsen, in dem solche Wohnungsausstattungen normal waren. Später würde sie erfahren, dass die Leute, die sich hier zur Fette-Mieten-Party getroffen hatten, teilweise in besetzten Häusern wohnten. Sie wollten darauf aufmerksam machen, wie ungerecht Besitz verteilt war und wie die Luxuswohnungen, die überall neu gebaut wurden, die gewachsenen Strukturen der Stadtteile zerstörten. Themseblick für alle , hatte jemand auf ein Laken geschrieben, das nun vom Balkon der Musterwohnung wehte, und in kleinen Buchstaben darunter: Wenigstens für einen Tag .
    Draußen wurde das Geschrei schwächer. Em dachte schon, die Party sei halbwegs friedlich aufgelöst worden. Aber vom Badezimmerfenster aus konnte sie sehen, wie die Demonstranten aus dem Gebäude rannten – und die Polizisten mit Schlagstöcken hinterher. Em erkannte die Schwangere an ihrem auffälligen grünen Batikkleid. Sie stolperte und fiel. Es bildete sich ein Knäuel. Em konnte nicht richtig erkennen, wer wann was machte. Als er sich auflöste, rannten die meisten weiter. Die Schwangere stand wieder und hielt sich den Bauch. Die Frau im roten Ledermantel war bei ihr und legte den Arm um sie. Kapuzenpulli schrie den einzigen Polizisten an, der noch in Ems Blickfeld verblieben war.
    Der Polizist packte ihn am Arm und stieß ihn weg.
    Kapuzenpulli schlug nach dem Uniformierten, traf ihn aber nicht.
    Der Polizist holte mit dem Schlagstock aus und schlug auf den Jungen ein.
    Nicht einmal, sondern immer wieder. Zielte auf den Kopf und hörte nicht mehr auf.
    Em vergaß alle Vorsicht, entriegelte die Badezimmertür und rannte aus der Wohnung.

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