Brockmann Suzanne
bereit? War er bereit, zu riskieren, dass sie ihre Leidenschaft mit etwas anderem verwechselte? Mit … Liebe?
Harvard sah P. J. tief in die Augen. „Ich wüsste gerne, wie man dazu kommt, einen so entscheidenden Teil seiner selbst für so lange Zeit auszuklammern“, sagte er. „Eine so unglaubliche, lebhafte, leidenschaftliche Frau wie du. Es ist ja nicht so, als ob du dir die Männer nicht aussuchen könntest.“
„Als ich noch ein kleines Mädchen war, nicht älter als fünf oder sechs“, erklärte sie ihm ruhig, „habe ich mich entschieden, zu warten – so lange, bis ein Mann mich genug liebt, um mich erst zu heiraten. Ich wusste damals natürlich nicht viel über Sex. Ich wusste nur, dass meine Mutter und Großmutter nicht gewartet hatten – was auch immer das bedeutete. Und da waren all diese Mädchen in der Nachbarschaft mit ihren dicken Bäuchen. Es gab immer Gerede darüber, dass die und die nicht gewartet hatten. Cheri Richards hatte auch nicht gewartet. Also beschloss ich, es zu tun – zu warten. Und als ich dann später all diese Märchen verschlang, war ich fasziniert von dem Gedanken an meinen Traumprinzen, der kommen und mich retten würde. Das hielt für ein paar weitere Jahre an.“
Harvard sah sie still an und wartete, bis sie weitersprach.
P. J. seufzte. „Um ehrlich zu sein: Manchmal wünschte ich, das Leben wäre tatsächlich so einfach wie in diesen Märchen. Natürlich weiß ich nur zu genau, dass es so nicht ist. Ich bin zwar eine Jungfrau, aber ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass kein vernünftiger Mann eine Frau heiraten würde, die er nicht vorher für eine Probefahrt ausgeliehen hatte – um es mal so auszudrücken –, und ich finde auch nicht, dass eine Frau das tun sollte. Sexuelle Harmonie ist sehr wichtig für eine Beziehung, davon bin ich überzeugt. Aber tief in mir drinnen sitzt dieses kleine Mädchen und wartet still vor sich hin.“ Sie lachte und schüttelte amüsiert den Kopf. „Du brauchst gar nicht so nervös zu gucken. Ich spiele nicht darauf an, dass ich einen Heiratsantrag haben möchte. Mich zu binden, ist so ziemlich das Letzte , worauf ich gerade aus bin. Weißt du, als ich älter wurde, habe ich die traurigen Exemplare, die meine Mutter immer wieder anschleppte, miterlebt – und ich begann, darüber nachzudenken, ob eine Ehe wirklich so eine wundervolle Sache war. Ich meine – wer will schon sein Leben lang an einen von diesen Verlierern gebunden sein? Ich bestimmt nicht.“
„Nicht alle Männer sind Verlierer.“
„Das weiß ich auch. Als ich erwachsen wurde, habe ich ja auch Männer getroffen, die keine Drogendealer oder Diebe waren. Ich schloss Freundschaften mit einigen von ihnen. Aber immer nur Freundschaften. Ich nehme an, alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen. Oder vielleicht habe ich ihnen trotz allem nicht vertraut. Oder es war nie einer dabei, mit dem ich wirklich zusammen sein wollte.“
Bis jetzt. Den letzten Gedanken sprach sie nicht laut aus. Aber die Worte hingen zwischen ihnen wie eine Sprechblase in einem Comicheft.
„Ich erzähle dir das alles nicht, um dich herauszufordern“, fuhr sie fort, als könne sie seine Gedanken lesen. „Ich versuche nur, dir zu erklären, warum es für uns beide wahrscheinlich gerade kein guter Zeitpunkt ist.“
Wahrscheinlich. Wahrscheinlich hieß: Sie war sich nicht sicher. Harvard wusste, dass er jetzt einhaken musste, wenn er sie überreden wollte, ihn doch noch mit hoch auf ihr Zimmer zu nehmen. Er sollte näher an sie heranrücken, sollte ihr über die Wange streichen und sie das Verlangen in seinen Augen sehen lassen. Er sollte sich den Weg in ihr Zimmer mit Worten bahnen. Sollte ihr sagen, es gäbe noch so vieles, über das sie sprechen müssten.
Aber er konnte es nicht. Es war nicht richtig. Anstatt seine Hand nach ihr auszustrecken, umklammerte er das Geländer.
„Es ist in Ordnung“, sagte er leise. „Ich sehe ein, dass das alles komplizierter macht – für mich genauso wie für dich.“
Der Ausdruck in ihren Augen brachte ihn beinahe um. Sie blickte ihn gleichzeitig erleichtert und enttäuscht an.
Sie standen noch einige Minuten schweigend nebeneinander. Schließlich seufzte P. J. auf.
Harvard musste sich mit aller Kraft zusammenreißen, um sie nicht doch in seine Arme zu schließen.
„Ich, ähm, ich denke, ich gehe zurück. Auf mein Zimmer. Jetzt.“
Harvard nickte. „Gute Nacht.“
Sie drehte sich um und lief weg.
Er blieb noch eine Weile, starrte auf die flackernden
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