Broken Lands
hatte man einen guten Blick auf den Mietstall und das Lager der Fata Morgana-Kompanie.
Gib mir ein Zeichen, Onkel Liao. Sag mir, dass es dir gut geht .
Die ganze Nacht lang, während sie darauf gewartet hatte, einschlafen zu können, hatte sie diesen stummen Wunsch aufgesagt, und ebenso heute Morgen, bei dieser eintönigen Arbeit: Zündschnüre abmessen, befeuchten, frisches Pulver für Constantines Krug zusammenmischen, die Lanzen verschließen. Gib mir ein Zeichen. Gib mir ein Zeichen .
Als das Zeichen kam, stand es nicht am Himmel, sondern draußen vor der Tür. Es klingelte. Alle im Raum erstarrten. Susannah, die auf dem Sofa saß und auf eine Liste mit potenziellen Kandidaten für die freien Posten der Hüter der Stadt starrte, stand auf und bedeutete den anderen, leise zu sein. Sie schaute durch den Türspion und winkte dann Jin zu sich heran.
«Ich kenne diesen Mann nicht», flüsterte sie.
Jin schaute nach draußen und atmete auf. «Es ist Mr. Burns.»
Sam war sofort bei ihr. «Jin, Hawks hat uns vor Mr. Burns gewarnt, weißt du noch?»
«Er gehört zur Familie», sagte Jin kopfschüttelnd. «Zu meiner Familie.» Sie öffnete die Tür und schlüpfte hinaus in den Korridor, wobei sie die Tür hinter sich fast ganz zuzog.
Mr. Burns stand da, die Hände in den Taschen, den Scheitel kerzengerade und die Brille auf der Nase schief sitzend. Er sah aus wie immer. Teil ihrer Familie – ihrer seltsamen Familie, viel seltsamer, als sie selbst gedacht hatte, aber die einzige Familie, die sie hatte. Die Familie, die sie liebte. Jin umarmte ihn fest.
Er erwiderte ihre Umarmung, aber nur kurz. «Jin, Liebes, wir haben keine Zeit. Darf ich reinkommen?»
In der Suite wurden fleißig weiter Röhrchen gedreht. Nur Sam hatte die Hände in den Schoß gelegt. Er betrachtete Mr. Burns aufmerksam, der hinter Jin die Suite betrat. Dann stand er auf und ging hinter den beiden her durch das Wohnzimmer, wo die Arbeit an den Feuerwerkskörpern stattfand, in das angrenzende Schlafzimmer.
«Geht es Onkel Liao gut?», wollte Jin wissen, sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war.
Burns zögerte kurz, dann nickte er. «Ich weiß nicht, ob es etwas gibt, was deinem Onkel wirklich schaden könnte, aber es braucht mehr als diese beiden Narren.»
Jins Gesicht fiel in sich zusammen. «Aber Sie haben ihn nicht gesehen, nicht wahr?»
Langsam schüttelte er den Kopf. «Nein.»
«Also wissen Sie Bescheid?», fragte Sam. «Sie wissen, was vor sich geht? Sie wissen, wer … die sind?»
«Natürlich.» Mr. Burns lehnte sich gegen die Fensterbank und schaute die beiden an. «Ich bin schon länger vor Kreaturen wie diesen auf der Flucht, als ihr euch vorstellen könnt.» Traurig lächelte er Jin an. «Ich weiß, das klingt absurd, wo wir beide doch wissen, dass man mir kein Streichholz in die Hand geben darf, aber diese beiden suchen nach mir.»
«Wegen Ihres Buches?»
«Wegen dem, was ich bin. Wegen dem, wozu ich in der Lage bin. Oder besser gesagt: Wozu ich in der Lage sein sollte.» Mr. Burns legte ihr die Hand auf die Schulter. «Und ich kann dir zeigen, wie es geht.»
Jin schüttelte den Kopf. «Nein, ich bin kein …»
«Kein Flammenmeister? Oh doch, das bist du, und ich denke, du hast es mittlerweile auch begriffen. Und du musst es sein, Jin. Hör zu.» Er nickte in Richtung Wohnzimmer. «Ich weiß, woran du arbeitest, und es ist ein guter Anfang. Aber du kannst noch mehr tun.» Er lächelte schwach. «Ein Flammenmeister vermag noch viel mehr.»
Jin wich bei der Erwähnung des Wortes zurück. «Wir werden belauscht», warnte Sam.
«Natürlich, das weiß ich.» Mr. Burns machte eine abfällige Gebärde. «Aber darum wirst du dich ja kümmern. Weißt du, wie eine Stadt unterworfen werden kann?»
Hawks hatte es ihnen erklärt. Die Sache mit dem Feuer, die Cinefaktion, war nur ein Teil davon gewesen. «Durch Blut, durch Feuer und durch Namen», erinnerte sich Jin. «Sie brauchen einen Flam… Sie brauchen Sie wegen des Feuers.»
«Nun, sie brauchen jemanden wegen des Feuers. Aber sie sind nicht die Einzigen, die eine Stadt damit einnehmen können.»
Jin runzelte die Stirn. «Das verstehe ich nicht.»
Mr. Burns lächelte. «Der Eingeweihte, der die Cinefaktion durchführt, kann die Stadt einnehmen, für wen auch immer er oder sie sich entscheidet. Verstehst du, was ich sage, Jin? Du bist in der Lage, diesen Irrsinn heute Nacht zu stoppen.»
Dieses Gespräch nahm eine unangenehme Wendung, nein, eigentlich zwei. Hatte er
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