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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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hierher verschleppt«, murmelte Edith und fing böse Blicke dafür ein.
    »Vierzigtausend sind es«, sagte eine andere Frau. »Und wo die nicht sitzen, haben sich die Engländer einquartiert. Kein Wunder, dass wir im Keller wohnen. Und selbst die Kellerlöcher machen uns die Flüchtlinge streitig.«
    »Ganz richtig«, antwortete die erste Frau, »die haben uns gerade noch gefehlt.«
    »Komm, da vorn gibt es was Warmes zu essen«, sagte Viola und zog Edith mit sich fort.
    »Tante Gertrud hat Angst, dass ich schwanger werde«, sagte Edith, als sie für die Suppe anstanden. »Ein Kind, das wäre nun wirklich zu viel, hat sie gesagt. Ich kann dir nicht sagen, wie ich auf den Moment warte, wo wir da ausziehen.«
    »Und?«, fragte Viola. »Bist du schwanger?«
    Edith schüttelte den Kopf. »Mein Gott, nein. Das wäre im Moment nicht, was ich wollte.«
    »Das geht vielen so«, sagte Viola, »aber, andererseits, ein Kind?«
    »Nein, nein.« Edith war errötet. »Dazu passiert viel zu wenig zwischen Karl und mir, verstehst du?«

22
     
    »Was ist los mit dir?«, fragte Edith.
    »Gar nichts ist los mit mir. Wir haben viel Arbeit im Atelier. Gott sei Dank. Wer hätte gedacht, dass die Kunden so treu sind.« Karl sah an Edith vorbei und fixierte das Holzbrett über dem Spülstein.
    »Du könntest trotzdem mit mir sprechen«, sagte Edith.
    Karl fühlte, wie Müdigkeit aus seinem Bauchraum aufstieg. Eine diffuse Wolke, ein feines, undurchdringliches Gespinst, das seine Bewegungen hemmte. »Das tue ich doch«, antwortete er.
    »Du redest nicht mit mir, du unternimmst nichts mit mir, aber zur Arbeit gehst du, pflichtbewusst und treu. Dort bist du wahrscheinlich ganz anders als hier zu Hause.«
    Aber die aufgebrachten Worte Ediths drangen nicht durch die Watte, die ihn rasch und wirksam eingesponnen hatte. »Ich arbeite gern«, sagte er hilflos. »Ich bin froh, dass ich arbeiten kann.«
    »Kannst du dir vorstellen, dass ich lieber den Satz hören würde: Ich bin glücklich, dass ich mit dir verheiratet bin? Dass du auch arbeitest für uns, damit wir endlich hier ausziehen können? Du gehst nur für dich arbeiten. In deinem Atelier lebst du. Und du lässt dich ausnützen, dass ich es nicht mehr mitansehen kann.«
    Das wollte er gar nicht hören. »Das Wetter soll am Wochenendeschön sein«, sagte er. »Wir könnten am Sonntag mit Theo und Viola zur Talsperre wandern. Ich bin so gern draußen. Draußen an der frischen Luft geht es mir besser, Edith. Es ist, als ob vieles dann von mir abfiele und die alte Fröhlichkeit zurückkäme.« Er zog sie bittend an sich. »Dann findest du mich vielleicht auch wieder netter.«
    Aber Edith wandte sich ab. »War nicht am Wochenende ein Gastspiel im Theater? Ich möchte lieber dahin. Ich frage Viola. Vielleicht bekommt sie Karten. Ich habe übrigens im Chor vorgesungen. Der Dirigent würde mich nehmen. Hast du nicht auch Lust? Es ist einmal die Woche, und sie studieren die Matthäus-Passion ein.«
    »Du weißt doch, dass ich nicht singen kann«, sagte Karl. »Aber geh du nur hin. Ich freue mich, wenn es dir Spaß macht. Ich komme dann zur Aufführung.«
    Edith sprang auf und wandte sich mit einer jähen Bewegung von ihm ab.
    Jetzt kneift sie die Lippen wieder zusammen, dachte Karl. Er stand auch auf, trat neben sie und legte den Arm um sie. »Edith. Ich liebe dich. Aber es ist so, wie es ist. Ich kann es nicht ändern, dass du mit Tante Gertrud nicht auskommst, dass du meine Mutter nicht magst, dass du die Stadt schrecklich findest.« Karl lachte sein sanftes Lachen und küsste sie. »Kein Wunder, dass dir die Stadt nicht gefällt. Sie ist ja gar nicht mehr da. Und die Stadt, die ich immer noch im Kopf habe und liebe, weil es meine Heimat ist, die hast du nie kennengelernt.«
    »Es ist nicht so, dass ich deine Mutter nicht mag«, erwiderte Edith heftig, und ihre Nase rötete sich, Tränen stiegen ihr in die Augen. »Deine Mutter mag mich nicht.Natürlich, sie sagt es nicht, dir schon gar nicht. Sie stellt mir nur mit stillem Vorwurf den Teller Suppe hin. Soll sie den Teller doch hinknallen! Was habe ich denn verbrochen, außer dass ich da bin und du mich geheiratet hast? Ich kann auch nichts dafür, dass du eine Frau von woanders wolltest. Und nicht eine, die den Herd so scheuert wie sie, die Wäsche so zusammenlegt wie sie und ständig weiße Blusen glättet.«
    Karl mochte es nicht, wenn seine Familie angegriffen wurde.
    »Tut mir leid. Aber das musst du dir jetzt anhören«, sagte Edith.

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