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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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untergebracht gewesen. Seit einigen Wochen trug er aber Häftlingskleidung und war kahl geschoren, war also Häftling in dem »Auffanglager«, das die Gestapo auf dem Werksgelände errichtet hatte. Die Brutalität der S S-Lagerleitung und der Aufseher war berüchtigt.
    Mein Gott, was mochte der junge Mann gemacht haben? Haftgründe gab es reichlich. »Arbeitsbummelei«, »deutschfeindliche und staatsfeindliche Äußerungen«, »unerlaubtes Radiohören«, »Aufsässigkeit« oder Fluchtversuch beim Trümmerräumen nach Luftangriffen. Immer wieder versuchten Kriegsgefangene bei Angriffen unerlaubterweise, auch in Schutzräume oder Bunker zu gelangen.
    Schon der Kontakt zu den normalen Kriegsgefangenen war den Frauen auf dem Werksgelände streng untersagt, und dass Martha der Verbindung zu einem Lagerhäftling bezichtigt wurde, bedeutete Schlimmes für beide.
    Bang wartete Viola darauf, dass Martha wieder zur Arbeit erschien. Aber Martha kam nicht wieder. Man behielt sie vermutlich bis zum Gerichtsverfahren im Polizeigefängnis in der Prenzelstraße. Auch den jungen Franzosen sah man nicht mehr.
     
    Viola vermisste den englischen Club. Sie sehnte sich nach einem Plattenspieler, nach der brüchigen, traurigen Stimme von Billie Holiday. Nach einem Tisch, der sich unter lauter gefüllten Schüsseln bog. Nach einem neuen Lebensgefühl, nach einem anderen, neuen, lebendigen Deutschland.

24
     
    Im Jahr 1948 kam die Währungsreform, und jeder erhielt vierzig und dann noch mal zwanzig Mark. Es schien, als sei das alte Deutschland abgeschafft und der Startschuss zu einem neuen Deutschland gegeben.
    Dem Schwarzmarkt war übergangslos der Hahn abgedreht worden, worüber sich Theo freute. Die Läden waren über Nacht mit Waren gefüllt. »Endlich wird den Schiebern das Handwerk gelegt«, sagte Theo. »Wie die sich bereichert haben! Jetzt fließen die Waren wieder in einen allgemeinen Wirtschaftskreislauf und kriegen den normalen Marktwert.«
    Es war Sonntag, und sie saßen auf einer Waldlichtung im Gras.
    »Du hättest auch Ökonomie studieren können«, meinte Karl.
    »Setz ihm nicht noch diesen Floh ins Ohr, hörst du?« Viola streckte ein Bein aus und stieß Karl mit dem nackten Fuß sanft gegen das Schienbein. »Sonst lebt er irgendwann nur noch theoretisch. Es empört mich, dass die Läden plötzlich voll sind. Die Waren muss es also gegeben haben, irgendwo, nur wir kamen nicht dran. Mensch, das ist doch eine Schande! Wir haben gehungert, und die horten Lebensmittel.«
    »Sag ich doch«, triumphierte Theo, »ist doch meineRede. Die Schwarzhändler sind die Bosse gewesen. Wenn du Waren zurückhältst, erhöhst du die Nachfrage und entsprechend den Preis. Und jetzt, wo die neue Währung den Schwarzmarkt aushebelt, sind die Läden voll.«
    »Und wir können uns wieder nichts kaufen.« Viola zog eine Schnute. Mehrmals hatte sie schon begehrlich vor dem Schaufenster bei Wäsche-Meyer gestanden. Sie hätte dringend neue Unterwäsche gebraucht.
    »Viola, mein Schatz, das wird sich ändern.« Theo stand auf, zupfte sein Hemd in Form und stellte sich in Positur. »Die abgestoßenen Manschetten und Kragen meiner Hemden werden bald der Vergangenheit angehören. Ich habe euch nämlich eine Mitteilung zu machen.« Er räusperte sich und schien von sich selbst ergriffen.
    Edith musste lachen.
    »Also. Der brave Theo hat nicht nur Examen gemacht, er hat auch eine Stelle als Assessor. Da staunt ihr, was?«
    »Ja, da staunen wir!«, riefen die andern. Viola küsste ihren Theo, Karl ließ sich übermütig ins Gras zurückfallen, verschränkte die Arme unter dem Kopf und lachte so unbeschwert und glücklich, als hätte er gerade ein Huhn verspeist. Edith sah den zielstrebigen Theo bewundernd an.
    Es ging ihnen gut, es war Sommer, und sie hatten alle die gleiche Idee.
    »Natürlich müssen wir das feiern«, sagte Theo. »Ich wettere zwar gegen den Schwarzmarkt, aber ich habe doch heimlich ein kleines Weindepot angelegt. Wer weiß, aus welchem Keller die Flaschen stammen. Aber nun gehören sie Theo Schulze, und heute Abend hauen wir eine auf den Kopf.«
    »Ja!«, schrien die drei anderen.
    »Wir könnten zu uns gehen«, meinte Karl. »Tante Gertrud ist heute bei meinen Eltern eingeladen. Und Elisabeth hat ein Fresspaket vom Land geschickt. Für uns war eine Trockenwurst dabei. Habt ihr Lust?«
    Sie hatten Lust. Aber erst mal lagen sie im Gras, bis die Sonne lange Schatten malte. Viola gluckste leise, als Theo sie kitzelte. Edith wedelte eine

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