Brombeersommer: Roman (German Edition)
Vertrauensvoll? Es dürfenkeine neuen Fronten entstehen, Theo, die Situation muss offen bleiben. Und vor allem darf es keine Wiederbewaffnung geben. Deutschland sollte neutrales Territorium werden. Das ist die einzige Vorstellung, bei der ich mich sicher fühle.« Auch da war sie sich mit Karl einig, der den Gedanken an eine Wiederbewaffnung als Beweis dafür sah, dass Deutschland nicht die geringste Lehre aus der Vergangenheit gezogen hatte.
»Ihr seid naiv.« Theo schüttelte bloß den Kopf. »Es läuft doch alles auf die Bildung zweier feindlicher Blöcke zu, von beiden Seiten aus. Davor könnt ihr doch nicht die Augen verschließen!«
»Und warum, meinst du, können wir nicht eine entmilitarisierte Zone dazwischen sein?«, rief Karl. »Hast du denn immer noch nicht genug davon, Soldat zu sein?«
26
Am 14. August 1949 errangen CDU/CSU und FDP bei den ersten Wahlen zum deutschen Bundestag eine hauchdünne Mehrheit, und mit einer Stimme Mehrheit wurde Konrad Adenauer zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt.
Der Marshall-Plan, der den europäischen Alliierten amerikanische Finanzhilfe für den Wiederaufbau zusicherte, war auch auf die westlichen Besatzungszonen Deutschlands ausgedehnt worden und legte einen wichtigen Grundstein für den Wiederaufbau der Gebiete, die jetzt zur Bundesrepublik Deutschland wurden. Das Steineklopfen war vorbei. Nun wurde gebaut.
Im Frühling 1950 bezogen Edith und Karl eine eigene Wohnung. Edith hatte nicht lockergelassen. Beim Wohnungsamt, bei den Wohngenossenschaften – sie ließ sich mit keinem Argument mehr abwimmeln. Theo bemühte sich, so gut er konnte, bei der Wohnungssuche behilflich zu sein, und Karl war sich nicht sicher, ob Edith nicht auch Hermann Gronau gebeten hatte, seine Kontakte zu ehemaligen Gesinnungsfreunden spielen zu lassen. Nicht wenige von denen mischten schon wieder überall kräftig mit.
Karl und Edith kauften zwei Betten, die von Männernin blauen Kitteln in den vierten Stock geschleppt wurden, einen Herd und eine Küchenanrichte. Die Mahlzeiten in den ersten Wochen nach dem Einzug aßen sie einträchtig nebeneinander auf dem Bett sitzend. Keine Türen wurden geschlagen, keine Fenster aufgerissen. Das Bad war nicht mehr ständig besetzt. Keine Vorhaltungen gingen mehr auf sie nieder – zu viel Wasser verbraucht, zu viel geheizt, zu viel Strom verschwendet, abends zu laut geredet, die Haustür nicht früh genug abgeschlossen, die Badezimmertür offen stehen gelassen, den abgewaschenen Topf nicht abgetrocknet, ein Haar im Waschbecken nicht entfernt zu haben.
Sie weihten die Mansarde zusammen mit Theo und Viola ein. Es war ein wunderbares Festessen. Viola hatte Vorhänge genäht, weiße. »Damit es schon mal wohnlich aussieht«, erklärte sie. Theo brachte eine Flasche Sekt mit. Edith machte Königsberger Klopse – die Banausen Karl und Theo fischten die Kapern heraus –, und zum Nachtisch gab es Äpfel im Schlafrock.
Karl hatte im Atelier einen Tisch fürs Wohnzimmer geschreinert, eine Überraschung für Edith, die sich schon beschwert hatte, dass er in der letzten Zeit immer so spät von der Arbeit heimkam. Karls Mutter hatte ein paar Kissen genäht, auf denen sie rund um Karls Meisterwerk saßen und glücklich und satt aus dem Mansardenfenster hinauf in den Frühlingshimmel sahen.
Als Erstes lud Edith ihre Mutter und Schwester ein. Karl und Edith schliefen in dem einen, Ediths Mutter und Schwester im anderen Bett. Edith hatte ein Klappbett auftreiben wollen, aber die beiden winkten ab.
»Brauchst du nicht, Edithchen. Weißt du noch, wie wir nach der Flucht in den umgekehrten Wirtshaustischen geschlafen haben? Und wie uns die Wirtin am Morgen aufgescheucht hat? Nein, nein, das geht schon so, lass es gut sein.«
Als Edith die beiden eine Woche später wieder zum Bahnhof brachte, weinte sie schon, bevor sie die Wohnung verließen. Sie merkte erst jetzt, beim Abschied, wie glücklich sie gewesen war, ihre Familie um sich zu haben, und wie sehr ihr diese Vertrautheit gefehlt hatte.
»Aber Edith, nun sei doch froh, dass du hier ein Zuhause gefunden hast«, sagte ihre Mutter. »Und einen netten Mann hast du auch. Was willst du denn? Man möcht ja meinen, du wärst undankbar! Und du hast Freunde gefunden. Was meinst du denn, wie das Leben für Marianne ist und für mich ohne Papa. Und ohne Witwenrente. Aber ich werde doch nicht Papa für tot erklären lassen, um an die Rente zu kommen. Er ist doch nur vermisst, er steht doch
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