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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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leicht sagen. Damals haben sie die Gesetze befolgt.« Theo wollte nicht weiterdiskutieren, Viola konnte da sehr hartnäckig werden. Er wechselte das Thema. »Und was machen wir am Wochenende?«
    »Das besprechen wir am Samstag«, antwortete sie knapp. Sie war wirklich ärgerlich. »Wenn es wieder so kalt ist wie letztes Wochenende, könnt ihr zwei alleine wandern gehen. Ich beschäftige mich schon. Ich will mir einen Rock nähen.«
    »Gar nicht wahr«, sagte Theo. »Du legst dich dann nur aufs Sofa und liest die ›Hör Zu‹.«
    »Genau! Und die ›Constanze‹.« Viola stand auf, um den Tisch abzuräumen, aber Theo zog sie auf seinen Schoß.
    »Du   …«
    »Was, du?«
    »Ich liebe dich.« Er stand auf, ohne Viola loszulassen, hob sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Unterwegs ließ sie die blauen Ballerinas fallen, über die sie nachher wieder stolpern würde. Theo stieß mit der Fußspitze die Tür zum Schlafzimmer auf und legte seine Frau vorsichtig quer über die beiden Betten. Und obwohl sie noch nicht besänftigt war, zog sie ihn an der Krawatte zu sich herunter.

32
     
    Karl hatte Anfang des Jahres eine neue Nachbarin bekommen. Sie klingelte an seiner Tür, stellte sich als Mrs.   Richard vor und lud ihn zu einer Tasse Tee ein.
    Zwei, drei Wochen später saß Karl auf einem ihrer Plüschsessel, und Mrs.   Richard servierte englischen Tee mit Kandiszucker. Sie war einige Jahre älter als er und Frau eines englischen Besatzungsoffiziers, der sie wegen einer jungen Deutschen verlassen hatte. Nun gab sie Englischunterricht und brachte sich auf diese Weise durch. Vielleicht werde sie nach England zurückkehren, sagte sie, sie wisse es noch nicht. Ein Angebot, ihn zu unterrichten, lehnte Karl ab.
    Obwohl die Einladungen einseitig blieben, wurde Mrs.   Richard zu einem angenehmen Bestandteil seines häuslichen Lebens. Die Begegnung mit ihr eröffnete ihm einen Einblick in die englische Lebensart, die Kunst der Konversation und des five o’clock tea. Er lernte Händel kennen, den Edith nie erwähnt hatte, und erhielt von seiner Nachbarin eine Einführung in den »Messias«, ein Werk, das ihn begeisterte. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass Mrs.   Richard sich vom Stuhl erhob, wenn die englische Hymne gespielt wurde. Das könne er nicht mehr, sagte er zu ihr. Er könne auch die Fahne nicht mehr grüßen, von manchen Dingen habe er einfach genug, auchwenn die Deutschen jetzt eine andere Flagge hätten. Das Misstrauen Fahnen und Liedern und Reden gegenüber könne nicht groß genug sein, für ihn jedenfalls, der er, gemeinsam mit seinen Eltern, Freunden, Lehrern so abgrundtief versagt habe.
    »Aber Karl«, sagte Mrs.   Richard, »Sie waren ein Kind. Sie sind mit einer falschen Ideologie aufgewachsen, Sie haben ja nie von etwas anderem gehört.«
    »Jede Ideologie ist falsch«, antwortete Karl. »Und davon abgesehen, ich traue den Menschen nicht mehr. Ehrlich gesagt, fürchte ich mich vor ihnen. Wenn ich höre, dass Deutschland wiederbewaffnet werden soll, wird mir schlecht.«
    Seine Nachbarin schenkte vom Portwein nach, der dem Tee folgte. »Ich möchte Ihnen eine wunderbare Arie vorspielen. Haben Sie schon von der Callas gehört? Ich bin sicher, sie wird eine der ganz großen Sängerinnen werden.«
    Karl hörte »La sera viene« und hatte Puccini und die Callas entdeckt.
     
    Viola verstand nicht, warum Karl Mrs.   Richard so gern besuchte.
    »Ich hoffe nur, sie wird nicht böse, wenn wir demnächst hier bei dir Fasching feiern«, sagte sie, während sie in Karls Küchenschlafzimmer die Einkaufstasche abstellte. »Vielleicht sagst du ihr schon mal, dass es laut werden könnte.«
    Viola war direkt vom Theater gekommen. Es war der 5.   Februar 1953, Karls 32.   Geburtstag. Draußen schneite es. Schwere, nasse Schneeflocken taumelten gegen die Fensterscheiben und rutschten träge am Glas hinunter.
    »Dass Theo noch nicht da ist!«, schimpfte sie gleich weiter und klopfte ihren beschneiten Mantel ab. »Es ist schrecklich, wie lange er immer im Büro bleibt. Er ist einfach zu ehrgeizig. Eines Tages geht er noch in die Politik. Dabei habe ich ihm eingeschärft, er soll heute pünktlich Schluss machen, wegen deines Geburtstags.« Sie stand immer noch im Mantel vor ihm, Wassertropfen schimmerten in ihrem Haar.
    »Du bist wieder ohne Schirm und Mütze im Schnee herumgelaufen«, sagte er leise und berührte eine geschmolzene Schneeflocke auf ihrer Stirn.
    Sie lachte, fuhr sich dann achtlos mit beiden Händen durch

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