Brombeersommer: Roman (German Edition)
der Koffer, beides geht nicht.«
Karl warf einen Blick in den Wagen. Die eine Hälfte der Rückbank war mit Körben und Taschen vollgestellt. »Wollt ihr mich lieber dalassen?«, fragte er. Vielleicht wäre es wirklich besser, ich bliebe da, dachte er einen Moment. So viel Viola, Tag und Nacht.
»Da musst du Viola fragen«, sagte Theo grantig. »Sie hat gepackt.«
»Das Auto kann jedenfalls nichts dafür«, sagte Karl versöhnlich.
»Nun macht doch nicht so einen Zirkus!« Viola war ungehalten. »Das ist doch hauptsächlich Proviant auf dem Rücksitz. Da nimmst du den Koffer eben erst mal auf den Schoß. Vorn ist doch viel Platz! Mit der Zeit kriegen wir den Koffer schon hinten unter.« Sie drückte den Vordersitz nach vorn und verstaute sich auf der Rückbank. »Karl, du kannst auch den Proviantkorb auf den Schoß nehmen, wenn dir das lieber ist. Dann möbeln wir hier hinten um.«
Karl winkte ab. »Schon gut. Aber erst noch das Foto von unserer Abfahrt. Für die Ewigkeit.«
Er hatte einen Farbfilm in der Rollei, und da steht Theo hinter dem Auto, im kurzärmeligen weißen Hemd, und legt die Arme breit auf das hellblaue Wagendach. Sein Gesicht ist noch immer etwas mürrisch, obwohl Karl mit der Verteidigung des Autos den Bann der schlechten Laune gebrochen hat. Viola ist nicht mehr ausgestiegen. Sie hat die Lehne des Vordersitzes vorgeklappt und streckt den Kopf aus dem Auto. Sie lacht und schützt mit der Hand den Kopf, um sich nicht am Rahmen zu stoßen. Karls Koffer steht noch auf der Straße, klein und etwas verlassen.
Sie fuhren Richtung Köln. Karl hatte den Koffer auf den Knien und darauf die Straßenkarte. »Wir sind schon bald am Rhein«, sagte er. »Und dann immer dem Rhein nach, und schon sind wir in Basel.«
»Na, na«, machte Theo. »So schnell geht es nun auch wieder nicht.«
»Dazwischen machen wir aber mal Pause«, rief Viola von hinten.
»Selbstverständlich, Signora.« Theo war wieder bei Laune. Violetta lief wie geschmiert. »Ist der Wagen nicht großartig?«, wollte er wissen. »Wie neu. Ich kenne den Kollegen, von dem ich ihn gekauft habe. Der ist sorgfältig mit dem Auto umgegangen.«
Die andern sagten nichts.
»Und ich habe in der Garage bei Herrn Niejahr alles noch mal überprüfen lassen.«
Pause.
»Ich habe die Sonnenbrille vergessen!«, schrie Viola plötzlich. Sie blinzelte erschrocken, als blende sie schon die Wolkendecke am deutschen Himmel.
»Aber den Pass hast du?«, fragte Theo.
Viola wurde unruhig. »Kannst du mal anhalten? Ich muss nachsehen.«
»Wenn, dann hast du ihn in der Handtasche. Da kannst du doch nachsehen, ohne dass ich anhalte.«
»Ja, aber ich muss auch aufs Klo«, sagte Viola bestimmt.
Theo seufzte. Wenn die nun immerzu anhalten wollen! Er genoss das Gefühl des stetigen Rollens, des unaufhaltsamen Vorwärtskommens.
Bei der nächsten Gelegenheit betätigte er den Blinker.Der Winker streckte rot sein Ärmchen aus der Karosserie, zeigte nach rechts.
»Gegessen wird erst auf der Höhe von Mainz«, sagte Theo entschieden. »Ich will erst einen Teil der Strecke geschafft haben, ehe ihr anfangt herumzutrödeln.«
Viola sang. »Geh aus mein Herz und su-u-uche Freud, in dieser schönen So-o-o-mmerzeit.«
»Nein«, sagte Theo, »nichts aus dem Kirchengesangbuch. Kannst du nicht was Italienisches? Aber nicht schon wieder die ›Capri-Fischer‹.«
Viola war beleidigt. »›Santa Lucia‹ kann ich nicht.«
»Wonach riecht es hier eigentlich so?«, fragte Theo nach einer Weile. »Puh, ich muss mal das Fenster aufdrehen.« Er kurbelte die Scheibe runter.
Das war Violas neues Parfum, vermischt mit der muffigen Motorenluft im VW.
Für das Picknick fuhren sie von der Straße ab und breiteten auf einer Wiese ihre Decke aus. Es gab kalte panierte Schnitzel und Kartoffelsalat. Die Mayonnaise war etwas glasig geworden. Als Viola am Ende die Keksschachtel herumreichte, begann es zu tröpfeln.
»Wir fahren!«, rief Theo. »Aber im Auto werden keine Kekse gegessen.«
Nach einigen Stunden grüßte der Turm des Basler Münsters.
»Und wo sind die Berge?«, fragte Viola.
»Das dauert noch«, antwortete Karl, der die Karte las.
»Theo, bist du müde? Wollen wir hier übernachten?« Viola konnte nicht mehr sitzen.
»Bis Zürich schaffen wir es noch.«
Die beiden anderen stöhnten. »Unsere Knochen, Theo! Wir sind ganz steif!«
»Still! Wer arbeitet denn hier?«, fragte Theo.
»Du«, antworteten Karl und Viola schwach.
»Ach, was«, korrigierte Theo stolz.
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