Bronzeschatten
nicht«, versicherte Helena ruhig. »Was glaubst du, warum ich dich hierher gelotst habe?«
Und da sie eine praktisch veranlagte Frau war, machte sie die restlichen Knöpfe selber auf.
Lange, lange danach, als ich wirklich vollkommen wehrlos war, trottete ein wilder Eber aus dem Unterholz.
»Grrr!« knurrte die Tochter des Senators liebenswürdig über meine nackte Schulter.
Der Eber schnupperte, machte mit mißbilligendem Grunzen kehrt und trollte sich gemächlich.
LX
Als Petronius Longus von seinem eigenen Schnarchen erwachte, spiegelten sich widerstreitende Gefühle auf seinem Gesicht. Er merkte sehr wohl, daß wir in ganz anderer Stimmung vom Gipfel zurückgekehrt waren. Während er schlief, hatten Helena und ich seinen Wein ausgetrunken (was freilich bei den Preisen hier nicht ins Gewicht fiel) und lagen nun, aneinandergeschmiegt wie zwei verspielte junge Hunde, im kühlen Schatten. Als ein Mann mit ausgeprägtem Respekt vor gesellschaftlichen Schranken war Petronius verständlicherweise hin und her gerissen.
»Falco, du mußt dich vorsehen!«
Ich verbiß mir das Lachen. Seit zehn Jahren beobachtete Petro nun schon meine verqueren Beziehungen, aber nun fühlte er sich zum erstenmal bemüßigt, mir einen brüderlichen Rat zu geben.
»Vertrau mir«, sagte ich (das hatte ich auch Helena gesagt. Ich verscheuchte den Gedanken an jenen entscheidenden Moment, da sie, als ich meine Leidenschaft zügeln wollte, aufgeschrien und mich nicht losgelassen hatte …).
Petro grollte: »Beim Hades, Marcus! Was willst du tun, wenn etwas schiefgeht?«
»Mich bei ihrem Vater entschuldigen, meiner Mutter beichten und einen Priester ausfindig machen, der moderate Tarife hat … Wofür hältst du mich?«
Meine Schulter schmerzte, aber um nichts in der Welt hätte ich mich bewegt. Die Wonne meines Lebens hatte ihren Kopf an mein Herz gebettet und schlief tief und fest. All ihre Sorgen waren wie fortgeblasen; an ihren Wimpern, die jetzt ruhig und friedlich ihre Wangen überschatteten, glitzerten immer noch die Spuren der hilflosen Tränen danach. Ich hätte auch fast geweint.
»Die Dame sieht das aber vielleicht anders. Du solltest diese Liaison beenden, bevor es zu spät ist!« riet mir Petro – ausgerechnet jetzt, wo sein Ausflug ins Gebirge dafür gesorgt hatte, daß an Schlußmachen gar nicht mehr zu denken war.
Seine Frau wachte auf. Ich sah zu, wie Silvia die Szene deutete: Helena Justina eng an meine Seite geschmiegt, ihre Knie unter den meinen; ihr schönes Haar von meinem Arm zerzaust; ihr tiefer Schlaf; meine ernste, friedliche Stimmung …
»Marcus! Was wirst du tun?« fragte sie besorgt. Silvia liebte klare Verhältnisse.
»Ich werde diesen Auftrag erfüllen und so rasch wie möglich mein Honorar kassieren …« Ich schloß die Augen.
Falls Silvia glaubte, daß wir gegen die Moral verstoßen hätten, dann gab sie offenbar mir die Schuld, denn als Helena erwachte, gingen die beiden zusammen fort, um sich frisch zu machen. Als sie zurückkamen, trugen sie die heimlichtuerische, zufriedene Miene zweier Frauen zur Schau, die endlich einmal ungestört hatten tratschen können. Silvia hatte das Haar im Nacken zu einem Knoten geschlungen, so wie Helena es gewöhnlich trug, und das ihre war dafür hochgebunden. Es stand ihr. Sie sah aus, als wollte sie augenblicklich irgendeine typisch athenische Pose auf einer schwarzgrundierten griechischen Vase einnehmen. Wie gern wäre ich der übermütige Hellene gewesen, der hinter dem Vasenhenkel auf der Lauer lag, um sie einzufangen …
»Da wird man ja ganz konfus«, witzelte Petro. »Welche von den beiden ist denn nun meine?«
»Oh, wenn’s dir recht ist, nehme ich die mit den Flatterbändern.«
Wir wechselten einen Blick. Wenn einer von zwei Freunden heiratet und der andere bleibt Junggeselle, dann wird, ob zu Recht oder zu Unrecht, vermutet, daß beide fortan nach verschiedenen Regeln leben. Es war lange her, seit Petro und ich zuletzt so einmütig und ungezwungen miteinander gewesen waren.
Jeder, der Petronius und seine Vorliebe für Wein kannte, wußte auch, daß er die Gelegenheit nutzen und für daheim Vorsorgen würde. Gründlich, wie er nun einmal war, suchte er so lange, bis er einen trockenen Weißen für ein paar Kupfermünzen die Amphore gefunden hatte (»ein ehrliches, süffiges Tröpfchen«, wie er mir mit Kennermiene verriet), und sicherte sich soviel davon, wie er nur irgend bekommen konnte: Während Helena und ich unsere Bergtour machten,
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