Bronzeschatten
schöne Augen.«
Ich quälte mich mit der Frage herum, ob Helena am Ende so schroff mit mir sei, weil sie sich um den flüchtigen Pertinax sorge. Ich beobachtete sie, aber sie merkte es; ihr blasses Gesicht verriet nichts.
Es war einer jener Abende, da eine ländliche Tanzgruppe im Gasthof auftrat. Diese Gruppe war so gut – oder so schlecht – wie die meisten anderen auch. Sie hüpften und sprangen und warfen die Beine eine Spur zu gleichgültig (schließlich sollten wir Ihnen Geld in den Hut werfen). Die Mädchen lächelten tapfer, als sie hinterher mit ihren Körbchen herumgingen und Rosen und handgeschnitzte Flöten feilboten. Nur heimlich fluchten sie auf den vierschrötigen, schwarzhaarigen jungen Mann, der uns das Geld für den Tand aus der Nase ziehen sollte. Der hatte einen besonderen Hang dazu, sich zu den Gästen zu setzen, seine Füße in den kuriosen Tanzpumps zu entlasten und einen Schluck aus anderer Leute Karaffe zu schnorren. Während er sich mit Petronius unterhielt, legte ich den Arm um Helena und schwelgte in Erinnerungen an die guten alten Zeiten, da mein Bruder Festus immer gut mit dem Flötenspieler stand. Deshalb bekamen wir stets ein Gratisinstrument aus seiner selbstgeschnitzten Kollektion, statt daß wir hätten die Musiker bezahlen müssen …
Petro beugte sich zu Helena hinüber. »Wenn er anfängt, von seinem älteren Bruder zu schwärmen, nehmen Sie ihm besser den Weinbecher weg!« Sie tat es. Ich ließ sie gewähren, denn sie lächelte mich dabei so zärtlich an, daß ich ganz schwach wurde. Petronius reichte ihr galant eine Walnuß. Er hatte unter anderem die Gabe, eine Walnußschale so geschickt knacken zu können, daß der Kern unversehrt blieb, ja beide Hälften noch von dem hauchzarten, papierenen Häutchen zusammengehalten wurden. Nachdem sie die Nuß verspeist hatte, ließ Helena den Kopf auf meine Schulter sinken und hielt meine Hand.
So saßen wir alle bis spät in den Abend hinein unter einem Weinspalier, während das dunkle Meer herüberschimmerte und Männer in knappen Tuniken den Staub über den Hibiskusblättern zu einem feinen Dunstschleier aufwirbelten. Ollia hatte Bauchweh, und mein armer Larius Herzschmerz. Ich dachte an Pertinax, den ich morgen suchen wollte. Helena lächelte verträumt. Petronius und Silvia beschlossen, sie hätten sich in diesen Ferien genug erholt und es sei Zeit, heimzukehren.
Keiner der neuen Flöten ließ sich auch nur ein Ton entlocken. (Das ist immer so, aber Petro und ich fielen immer wieder drauf rein.)
Da Silvana Geburtstag hatte, gingen wir alle mit hinauf, um die Kinder zu Bett zu bringen. Ich wußte nicht, wann und wie ich Helena wiedersehen würde, und zog sie deshalb in einen Winkel, um mich ausgiebig von ihr zu verabschieden. Jemand rief herauf, es sei Besuch für mich da. Petronius zwinkerte mir zu und ging hinunter, um sich darum zu kümmern.
Eins der Kinder, deren Übermut mittlerweile auszuarten drohte, trippelte ihm im Nachthemd hinterher. Zwanzig Sekunden später hörten wir, obwohl es oben laut genug herging, die Kleine schreien.
Ich war als erster über den Flur und die Treppe hinunter. Petronilla stand wie angewurzelt auf der Stelle und schrie aus Leibeskräften. Ich nahm sie auf den Arm. Sonst gab es nichts, was ich hätte tun können.
Petronius Longus lag mit weit von sich gestreckten Armen im Hof. Ein brutaler Schlag hatte ihn an jener besonders empfindlichen Stelle zwischen Hinterkopf und Nacken getroffen. Das Blut, da so verräterisch langsam aus der Wunde sickerte, sagte alles.
Eine kleine Ewigkeit lang stand ich einfach da, sein Kind im Arm, und konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nichts für ihn tun. Ich wußte, er war tot.
LXVIII
Unter den polternden Schritten, die mir gefolgt waren, hörte ich Silvias klappernde Sandalen heraus. Wie ein Pfeil schoß sie an mir vorbei und warf sich über Petro. Mir war, als stöhne sie: »O du mein Einziger!« , aber da muß ich mich wohl verhört haben.
Ich drückte irgendwem das Kind in den Arm, lief zu Silvia und versuchte behutsam, sie von dem Leblosen fortzuführen. Helena Justina kam mir nach, kniete nieder und tastete nach Petros Puls.
»Marcus, komm hilf mir, er lebt!«
Von dem Moment an arbeiteten wir Hand in Hand. Das Leben barg wieder Hoffnung. Und es gab eine Menge zu tun. Larius ritt auf einem Esel los, um einen Arzt aufzutreiben. Ollia, die auf einmal erstaunliche Geistesgegenwart bewies, gelang es, Silvia zum Aufstehen zu überreden. Ich wollte
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