Bronzeschatten
weichen.
Ich war wie gerädert. Mein Neffe hatte trotz unserer knubbeligen Matratze tief und fest geschlafen. Petronius schnarchte. Seine Frau (wie ich letzte Nacht festgestellt hatte) ebenfalls.
»Falco sieht ganz niedergedrückt aus. Wir müssen ihm ein Mädchen suchen!« flötete Arria Silvia gutgelaunt beim Frühstück und schlug ihre spitzen Vorderzähne in einen Pfirsich.
»Laß den nur fünf Minuten in Pompeji sein«, frotzelte Petro, »dann findet er schon selber eins.«
Mir ging zuviel im Kopf herum für derart belanglose Tischgespräche. Da war ich nun mitten in der Hauptsaison in der Campania. Gestern, bei der Ankunft, hatte ich überall lachende Gesichter gesehen – aufgeschlossene junge Frauen in schönster Blüte, entspannt und wohlig erregt von der linden Seeluft, alle äußerst spärlich bekleidet und begierig nach einem Vorwand, um auch dies Wenige noch auszuziehen … Da war ich also nun, ein schneidiger Draufgänger in einer fast neuen senffarbenen Tunika (ein Schnäppchen vom Stoffmarkt, das meine Mutter zusammen mit zwei Rollen Zickzacklitze abgestaubt hatte). Und selbst wenn eine Frau, wie die Venus von Praxitiles, einem Brunnen entstiegen und auf meinen Schoß gesprungen wäre, mit nichts als einem Paar modischer Sandalen und einem Lächeln bekleidet, ich hätte sie runtergehoben und mich getrollt, um allein meinen trüben Gedanken nachzuhängen.
Zum Frühstück gab es Wasser und Obst. War man derlei von zu Hause nicht gewöhnt, konnte man das Obst auch weglassen.
Wir Männer verschwanden noch am selben Tag nach Pompeji.
Gleich vor der Stadt, an der Mündung des Sarnus, lag ein kleiner Hafen, von dem aus auch Nola und Nuceria beliefert wurden. Wir ließen den Wagen am Hafen stehen; die Kaimauer war zu steil, als daß man ihn hätte hinaufbugsieren können. Larius wollte dableiben und sich die Schiffe ansehen, aber ich hatte keine Lust, meiner Schwester beichten zu müssen, daß ihr Erstgeborener am Kai des Sarnus mit einem stämmigen Bootsmann ein böses Erwachen erlebt hätte; darum schleppten wir ihn mit. Petro und ich gingen durch den Fußgängertunnel links neben der Kaimauer; Larius nahm uns zum Trotz den Gang für die Lasttiere. Während wir oben auf ihn warteten, hörten wir ihn wütende Selbstgespräche führen.
Pompeji hatte Wein, Korn, Wolle, metallverarbeitende Industrie, Olivenöl, das Flair zielstrebiger Prosperität und zehn schmucke Wachtürme auf wuchtigen Stadtmauern.
»Ein Bollwerk für die Zukunft!« Eines meiner witzigeren Bonmots.
Gut; ich weiß, was in Pompeji geschah – aber das war acht Jahre bevor der Vesuvius ausbrach. Jeder Student der Naturwissenschaften, dem auffiel, daß Pompejis Hausberg wie ein Vulkan aussah, folgerte, daß er erloschen sei. Die Playboys von Pompeji freilich glaubten an die Kunst, an Isis, die Gladiatoren der Campania und Bargeld, mit dem sich die tollsten Weiber kaufen ließen; von dieser protzigen Jeunesse dorée befaßte sich kaum jemand mit Naturwissenschaften.
Damals verdankte Pompeji seinen Ruhm zwei denkwürdigen Ereignissen: einem Krawall im Amphitheater, bei dem Pompejaner und Nucerianer wie die Vandalen übereinander herfielen und etliche Tote zu beklagen waren; außerdem einem verheerenden Erdbeben. Als wir (ein paar Jahre nach dem Beben) hinkamen, ähnelte die Stadt noch immer einer riesigen Baustelle.
Das Forum lag in Trümmern, woran vor allem die Bevölkerung Schuld trug, die ihre Architekten beauftragt hatte, es in größerem Maßstab wieder aufzubauen. Wie üblich nutzten die Architekten dies als Vorwand, sich in abenteuerliche Träume zu versteigen und ihren Etat zu verpulvern, ohne Zeitpläne einzuhalten. Ein freigelassener Sklave, der sich einen Namen machen wollte, sanierte den Isistempel, und das Amphitheater hatten die Bürger abgestützt, für den Fall, daß sie wieder ihre Nachbarn verdreschen wollten. Jupiter- und Apollotempel dagegen waren eingerüstet, die Statuen hatte man in der Krypta ausgelagert, und es war ein schweres Stück Arbeit, sich zwischen den Schubkarren der Bauunternehmer durchzukämpfen, um, vorbei an den Lebensmittelständen im Säulengewölbe, in die Oberstadt zu gelangen.
Petronius und ich fanden, für Larius sei dies ein pädagogisch wertvoller Ort. Venus war ihre Schutzgöttin, also wollten die Stadträte auch, daß sie sich bei ihnen wohl fühlte. Groß in Mode für jedes halbwegs elegante pompejanische Vestibül war ein Wandgemälde des Priapus mit seiner nimmermüden Erektion;
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