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Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammendes Herz
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also schlagen Sie vor?«
    »Ich öffne ihn für Sie.«
    Unbehagen durchlief sie. » Sie können meinen Tresor öffnen?«
    Konnten das die gan tsetseg auch?
    Die Schmiedin wackelte mit den grauen Fingern. »Ich kann Ihre Haut berühren und die Bewegungen der Naniten spüren. Zu spüren, wie die Zuhaltungen an die richtige Stelle rutschen …« Sie führte den Satz nicht zu Ende, als wüsste sie nichts vergleichbar Einfaches. »Das wäre sicherer für Sie.«
    Und Yasmeen zog es vor, ihre ersten Münzen nicht für eine Handprothese ausgeben zu müssen. Sie bedeutete Ivy loszulegen. Das Mädchen zögerte nicht lange, und falls Yasmeen ein wenig zusammenzuckte, als sich die Öffnung im Stahl mit einem Schnappen um Ivys Handgelenk schloss, so war sie nicht die Einzige. Aber einen Moment später lächelte Ivy und zog die Hand zurück, und das mechanische Fleisch war unverletzt. Die Spitze schraubte sich ab, und der Tresor öffnete sich.
    Er war leer. Keine Säcke voller Goldmünzen. Keine Ledermappe.
    »Oh!«, sagte Ivy. Sie runzelte die Stirn. »Aber ich dachte – ich … Oh !«
    »Yasmeen«, sagte Archimedes leise.
    Ihre Hände zitterten. Sie griff nach einem Zigarillo, dann fiel ihr ein, dass sie keine mehr hatte. Ihr Magen zog sich zu einem Knoten zusammen. Ihr war speiübel.
    Ich habe nichts.
    Nicht einmal eine Möglichkeit, ihre Crew zu rächen. Panik stieg in ihr auf, machte sie kurzatmig. Sie zwang sie zurück, bezwang das Entsetzen.
    Wieder eine Situation, in der ein Herz aus Stahl seinen Zweck erfüllte – und aus dem Nichts hatte sie sich schon einmal wieder aufgerappelt.
    »Es tut mir leid, Mr Fox. Wie es aussieht, besitze ich Ihre Fälschung gar nicht mehr.« Sie stand auf und beachtete ihn nicht, als er wieder ihren Namen sagte. »Danke, Ivy, für all Ihre Hilfe! Mr Barker? Ich glaube, ich schulde Ihnen noch einen Drink. Ich würde ihn jetzt gern bezahlen.«
    Solange sie noch konnte.

5
    Von allen üblen Spelunken der Hafengegend war Zum angreifenden Stier wohl die schlimmste. Archimedes rechnete nicht damit, Yasmeen dort zu finden, aber nach einem Kneipenzug durch halb Port Fallow ging ihm auf, dass er sie gerade dort antreffen würde. Er konnte die Geschichten kaum zählen, die er über Lady Corsair in einer Kneipenschlägerei gehört hatte, wenn sie die anderen Gäste auseinandernahm, als wären sie aus Papier. In der letzten Zeit war das seltener vorgekommen, aber dieser leere Tresor hatte Yasmeen am Boden zerstört. Wenn sie diesen Schmerz an jemandem abreagieren wollte, dann gab es keinen besseren Ort dafür als den Angreifenden Stier .
    Als er sich dem Eingang näherte, schien die Schlägerei schon in vollem Gange zu sein. Über dem Lärm der Musiker war zu hören, wie eine Menge jemanden anfeuerte – Henri! Henri! Henri! Als er eintrat, zerklirrte ein Glas auf dem Boden, gefolgt vom Zerbersten eines Stuhls und den Flüchen zweier Seeleute. Die Luft war schwer vom Gestank nach ranzigem Schweiß und Tabak. Sämtliche Tische waren besetzt, und alle Gäste starrten in die Raummitte, wo ein Junge von vielleicht vierzehn Jahren auf einem Tisch lag, mit der Hose unten an den Knöcheln. Eine Frau saß rittlings auf seinen Hüften, das Mieder nach unten und den Rock nach oben gezogen. Eine Meute Luftschiffer johlte im Takt der hüpfenden Brüste. Anscheinend hatte jemand Geld dafür hingeblättert, dass dieser Junge zum Mann gemacht wurde.
    Automatenmusiker in französischen Marineuniformen spielten auf einem Cembalo und einer Violine eine fröhliche Melodie. Kein lebender Musiker würde hier spielen; zu viele hatten schon für einen falschen Ton oder einfach aus der schlechten Laune eines Säufers heraus ein Messer zwischen die Rippen bekommen. Archimedes fand Yasmeen an einem Tisch in der hintersten Ecke, von wo aus sie der Entjungferung des Jungen mit leicht amüsierter Miene zusah. Sie saß in dem einzigen verhältnismäßig ruhigen Teil der Spelunke, was der Tatsache zu verdanken war, dass alle um sie herum schief an ihren Tischen hockten und sich über ihre Drinks beugten, als wagten sie es weder, ihr den Rücken zuzukehren, noch, einen Blick in ihre Augen zu riskieren.
    Vor ihr stand ein halb leeres Glas Bier, daneben ein kleineres leeres Glas. Als sie Archimedes erblickte, zog sie die Augenbrauen hoch und stieß mit der Stiefelspitze einen Stuhl hervor. Eine Einladung. Mehr, als er erhofft hatte, aber als sie nicht gleich etwas sagte, nahm er an, dass in der Einladung kein Gespräch inbegriffen war.

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