Brook, Meljean - Die Eiserne See
der Libéré genommen, das rechtmäßig unserem König gehört hat.«
So langsam reichte es Yasmeen. »Dann scheine ich ja wohl ausschließlich französisches Geld genommen zu haben.«
Nun schien Hassan zu begreifen, und ihr ging auf, dass er nicht verwirrt gewesen war, sondern nur Schwierigkeiten mit der Sprache hatte. »Eine Söldnerin?«
»Ja«, sagte sie.
Obwohl sich Hassans Miene in keiner Weise verhärtete, obwohl er sich weder aufrichtete noch seine Stimme erhob, machte er plötzlich den Eindruck gelassener Stärke und Autorität. Er sah Guillouet an. »Bedeutet die Anwesenheit dieser Frau, dass Sie mein Geld nicht nehmen werden, Captain?«
Die Drohung war deutlich. Guillouet schob den Unterkiefer vor, der innere Kampf war ihm deutlich anzusehen. Ein Luftschiffkapitän, der seine Prinzipien über das Geld stellte, hatte bald kein Schiff mehr, auf dessen Deck er stehen konnte. »Ich werde nicht zulassen, dass sie an den Mahlzeiten in meiner Kajüte teilnimmt. Diese Beleidigung können Sie nicht von mir verlangen.«
»Also ziehen Sie es vor, selbst zu beleidigen?«
»Das beleidigt mich nicht«, sagte Yasmeen. Sie wollte ohnehin nicht mit ihm essen. »Die Offiziersmesse wird reichen.«
Ein Hauch von Bedauern trat in Hassans Stimme. »Die Offiziersmesse wird von den Marsouins belegt. Ich habe bereits mehrere Männer des Captains umgesetzt.«
»Wir können mit der Crew essen«, schlug Archimedes vor. »Mit einigen haben wir ohnehin bereits Bekanntschaft gemacht und ihre Gesellschaft genossen.«
Ach, hatten sie?
»Dann wäre das ja geklärt.« Mit einem scharfen Nicken machte Guillouet auf dem Absatz kehrt und begann Befehle zu brüllen.
Da diese unmittelbare Gefahr nun gebannt war und Yasmeen den Captain nicht länger im Auge behalten musste, warf sie einen Blick auf die Schiffer an Deck. Ein Hüne fiel ihr auf, der eine ansehnliche Schwellung über dem linken Auge und eine aufgeplatzte Lippe hatte. Der Zwilling in dem roten Hemd. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als der frisch entjungferte Henri angelaufen kam und ihnen anbot, sie zu ihrer Kabine zu bringen. Der Junge griff nach dem Überseekoffer, aber Archimedes bremste ihn.
»Den nehme ich, junger Henri. Der ist schwerer, als er aussieht.«
Für jemanden, der mit Naniten infiziert war, stellte der Koffer überhaupt kein Gewicht dar, dennoch sah es beeindruckend aus, als Archimedes sich den Koffer über die Schulter warf und Hassan ansah.
»Hassan, gestatten Sie mir, Ihnen meine Frau vorzustellen – Captain Yasmeen Fox.«
Er genoss es viel zu sehr, das zu sagen. Sie erwiderte Hassans Gruß und fügte auf Arabisch hinzu: »Vielen Dank, dass Sie das so gut gehandhabt haben! Wenngleich mich Ihr diplomatisches Vorgehen nach allem, was mein Mann mir von Ihrer Verbindung mit ihm erzählt hat, nicht überrascht.«
Seine Augen weiteten sich leicht, und sein Blick huschte über ihr Gesicht, als würde er versuchen, ihr Aussehen und ihre Mundart einzuordnen. Sie fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie die warme Mütze mit den Klappen aus Polarfuchspelz abnahm, die ihre Zöpfe bedeckte – und ihre Ohren.
»So geht es in diesem Geschäft mitunter leider zu«, sagte er. »Und nun wird mir klar, wie klug es gewesen ist, Ihren Gatten als Archimedes Fox auftreten zu lassen. Wir wollen hoffen, dass Captain Guillouet nicht begreift, wem Wolfram diese Waffen verkauft hat.«
Als sie ihre Augenbrauen hochzog, erklärte Archimedes leise: »Vor allem der Libéré.«
Yasmeen lachte und wurde von dem Älteren mit einem gütigen Lächeln bedacht.
»Es freut mich zutiefst, Sie kennenzulernen, Captain. Ich hoffe, Sie werden mich später auf ein Gespräch besuchen, wenn Sie sich eingerichtet haben – und ich meinen Mittagsschlaf gehalten habe. Ich bin nur ein gebrechlicher alter Mann.«
Er lächelte, während er das sagte, doch war die Erschöpfung hinter der heiteren Gelassenheit nicht zu übersehen. Yasmeen nickte und sah zu Henri, der eindeutig kein Wort von ihrem Gespräch verstanden hatte.
»Also dann, Henri. Zeig uns den Weg!«
Ihre Kabine war winzig und enthielt zwei übereinanderliegende Kojen, neben denen kaum genug Platz zum Gehen war. In die Wand waren einige Kleiderhaken aus Messing geschraubt, und ihr Koffer passte unter die Kojen. In der Ecke stand eine Waschgarnitur. Ein Bullauge ließ gerade genug Sonnenlicht herein, dass etwas zu sehen war.
Perfekt.
Archimedes deutete auf die Betten. »Oben oder unten?«
»Unten.«
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