Brooklyn
Einzelpreise addierte, sah ihr Miss Fortini über die Schulter.
»Es ist besser, langsam zu rechnen, dann machen Sie auch keine Fehler«, sagte sie.
Eilis sagte Miss Fortini nicht, dass sie beim Addieren niemals Fehler machte. Statt dessen ging sie langsam vor, wie ihr empfohlen worden war, und vergewisserte sich, dass die Zahlen stimmten.
Manche der angebotenen Bekleidungsartikel überraschten sie. Die Körbchen mancher Büstenhalter erschienen ihr spitzer als alles, was sie bislang gesehen hatte, und ein Modell namens Korselett, das so aussah, als sei es in der Mitte mit Plastikstreifen versteift, war ihr absolut neu. Das erste, was sie verkaufte, war etwas, was »Brassière« hieß, und sie beschloss, sobald sie Mrs. Kehoes andere Mieterinnen gut genug kannte, eine von ihnen zu bitten, ihr eine Einführung in amerikanischer Damenunterwäsche zu geben.
Die Arbeit war einfach. Miss Fortini war lediglich an Pünktlichkeit, einer gepflegten Erscheinung und der sofortigen Übermittlung selbst der geringfügigsten Beschwerde oder Frage interessiert. Sie war nicht schwer zu finden, stellte Eilis fest, da sie ständig alles beobachtete, und wenn man die geringste Schwierigkeit mit einer Kundin zu haben schien oder dabei ertappt wurde, dass man nicht lächelte, merkte Miss Fortini das, kam sofort auf einen zu und gab einem Zeichen und blieb erst stehen, wenn sie sah, dass man gleichzeitig beschäftigt und zuvorkommend aussah.
Eilis fand schnell heraus, wo sie mittags rasch im Stehen etwasessen konnte, um dann noch zwanzig Minuten lang die anderen Geschäfte in der Nähe der Fulton Street zu erkunden. Diana und Patty und Mrs. Kehoe hatten ihr alle versichert, das beste Bekleidungsgeschäft in der Nähe des Bartocci’s sei das Loehmann’s auf der Bedford Avenue. Um die Mittagszeit war im Parterre des Loehmann’s immer mehr los als im Bartocci’s, und die Kleider schienen billiger, aber sobald sie nach oben ging, musste Eilis an Rose denken, denn es war der schönste Verkaufsraum, den sie je gesehen hatte, nicht so sehr ein Geschäft eigentlich als ein Palast, mit weniger Kundinnen und elegant gekleideten Verkäuferinnen. Die Preise musste sie erst in Pfund umrechnen, um sie beurteilen zu können. Sie kamen ihr sehr niedrig vor. Sie versuchte, sich ein paar Kleider und Kostüme und die jeweiligen Preise zu merken, um Rose genaue Angaben machen zu können, aber sie hatte immer nur wenige Minuten Zeit, da sie nicht zu spät zur Arbeit zurückkommen wollte. Sie hatte bislang keine Schwierigkeiten mit Miss Fortini gehabt, und sie wollte nicht jetzt schon Probleme mit ihr bekommen.
Nach drei Wochen erkannte Eilis eines Morgens, sobald sie die andere Straßenseite der Fulton Street erreicht hatte und die Schaufenster von Bartocci’s sehen konnte, dass etwas Seltsames geschehen war. Die Scheiben waren mit riesigen Transparenten behängt, auf denen BERÜHMTER NYLON-AUSVERKAUF zu lesen stand. Sie hatte nicht gewusst, dass ein Ausverkauf geplant war, und hatte angenommen, dass er erst im Januar stattfinden würde. Im Umkleideraum traf sie Miss Fortini und äußerte ihr gegenüber ihre Verwunderung.
»Mr. Bartocci hält das immer geheim. Während der Nacht beaufsichtigt er persönlich sämtliche Vorbereitungen. Die ganze Etage ist Nylon, alles Nylon, und größtenteils zum halben Preis. Sie selbst können sich vier Artikel kaufen. Und das hier ist ein spezieller Geldbeutel, denn Sie dürfen nur exakt abgezählte Beträgeannehmen. Wir haben sogar alles mit Preisschildchen ausgezeichnet. Also keine Kassenzettel heute. Und es wird strengste Sicherheitsvorkehrungen geben. Das wird das schlimmste Gerangel, das Sie in Ihrem ganzen Leben gesehen haben, denn selbst die Nylonstrümpfe sind auf die Hälfte heruntergesetzt. Und die Mittagspause fällt aus, statt dessen wird es hier unten Gratis-Sandwiches und Gratis-Soda geben, aber kommen Sie nicht häufiger als zweimal. Ich passe auf. Wir brauchen alle Arbeitskräfte am Platz.«
Schon eine halbe Stunde nach Geschäftsbeginn hatten sich draußen Schlangen gebildet. Die meisten Frauen wollten Strümpfe; sie nahmen drei oder vier Paar, bevor sie weiter nach hinten gingen, wo es Nylonpullover in jeder erdenklichen Farbe und in den meisten Größen gab, und alles mindestens um die Hälfte billiger. Die Aufgabe der Verkäuferinnen bestand darin, der Menschenmenge mit Bartocci-Einkaufstüten in der einen und dem Geldbeutel in der anderen Hand zu folgen. Alle Kunden schienen zu wissen,
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