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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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Sorgen mache. Das haben Father Quaid und die anderen gesagt. Vielleicht hätte ich nicht viel tun können, aber ich hätte auf sie acht gegeben. Ich weiß nicht, was ich denken soll.«
    Eilis hörte, wie ihre Mutter seufzte.
    »Jetzt gehe ich nach Haus, und wir werden den Rosenkranz beten, und ich werde ihr sagen, dass ich mit dir gesprochen habe.«
    »Das wär sehr schön, wenn du das tun würdest.«
    »Jetzt leb wohl, Eily.«
    »Leb wohl, Mama, und sagst du den Jungs, dass wir telefoniert haben?«
    »Ja. Sie kommen morgen früh hier an.«
    »Leb wohl, Mama.«
    »Leb wohl, Eily.«
    Als sie aufgelegt hatte, fing sie an zu weinen. Sie ging zum Sessel in der Ecke des Zimmers und setzte sich und versuchte, sichzusammenzunehmen. Father Flood und seine Haushälterin kamen, brachten ihr Tee und versuchten sie zu beruhigen, aber sie konnte nicht verhindern, dass sie in hysterisches Schluchzen ausbrach.
    »Es tut mir leid«, sagte sie.
    »Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte die Haushälterin.
    Als sie sich etwas beruhigt hatte, fuhr Father Flood sie zu Mrs. Kehoes Haus; Tony war schon im vorderen Zimmer. Sie wusste nicht, wie lang er schon da war, und sie sah ihn und Mrs. Kehoe an und fragte sich, worüber sie gesprochen haben mochten, während sie auf sie warteten, und ob Mrs. Kehoe endlich erfahren hatte, dass Tony kein Ire, sondern Italiener war. Mrs. Kehoe war die Güte und das Mitgefühl in Person, aber man hatte auch den Eindruck, fand Eilis, dass die Neuigkeit und die Besucher Aufregung verursacht und sie auf angenehme Weise vom alltäglichen Einerlei abgelenkt hatten. Sie ging geschäftig ein und aus, redete Tony mit seinem Vornamen an und brachte aus der Küche ein Tablett mit Tee und Sandwiches für ihn und Father Flood.
    »Deine arme Mutter, mehr kann ich dazu nicht sagen, deine arme Mutter«, sagte sie.
    Zum erstenmal verspürte Eilis keine Notwendigkeit, Mrs. Kehoe gegenüber höflich zu sein. Sie schaute weg, wann immer sie etwas sagte, und gab keinerlei Antwort. Dies schien Mrs. Kehoe nur um so fürsorglicher zu machen, dauernd bot sie ihr Tee oder ein Aspirin und ein Glas Wasser an oder bestand darauf, dass sie etwas aß. Eilis wünschte, Tony würde aufhören, von Mrs. Kehoe immer weitere Sandwiches und Teilchen anzunehmen und ihr für ihre Freundlichkeit zu danken. Sie wünschte, er würde gehen und Mrs. Kehoe würde aufhören zu reden und Father Flood würde ebenfalls gehen, aber ihr graute vor ihrem Zimmer und der bevorstehenden Nacht, also sagte sie nichts, und bald unterhielten sich Mrs. Kehoe und Tony und Father Flood so, als sei sie gar nicht da, sprachen über die Veränderungen, die in den letzten paar Jahrenin Brooklyn stattgefunden hatten, und spekulierten darüber, welche weiteren Veränderungen künftig stattfinden mochten. Von Zeit zu Zeit verstummten sie und fragten sie, ob sie etwas brauche.
    »Das arme Ding, sie steht unter Schock«, sagte Mrs. Kehoe.
    Eilis sagte, sie brauche nichts, und schloss die Augen, während die anderen ihr Gespräch wiederaufnahmen und Mrs. Kehoe sich fragte, ob sie sich einen Fernsehapparat kaufen sollte, um abends etwas Gesellschaft zu haben. Sie befürchte, sagte sie, dass es sich nicht durchsetzen und sie dann auf dem Ding sitzenbleiben werde. Tony und Father Flood empfahlen ihr beide, sich ein Gerät zu kaufen, und das schien nur Anlass zu weiteren Bedenken zu sein; es gebe schließlich keine Garantie dafür, dass die auch weiterhin Sendungen machen würden, und sie wolle es eher nicht riskieren.
    »Erst wenn alle einen haben, werde ich mir auch einen kaufen«, sagte sie.
    Als ihnen schließlich die Gesprächsthemen ausgegangen waren, wurde vereinbart, dass Father Flood am folgenden Morgen um zehn eine Messe für Rose lesen würde und dass Mrs. Kehoe kommen würde wie auch Tony und seine Mutter. Die üblichen Kirchgänger würden auch da sein, sagte Father Flood, und gleich zu Beginn würde er sie wissen lassen, dass er die Messe für den Seelenfrieden eines ganz besonderen Menschen lesen würde, und vor der Kommunion würde er ein paar Worte über Rose sagen und die Gemeinde bitten, für sie zu beten. Er wollte Tony nach Hause fahren, wartete aber taktvoll zusammen mit Mrs. Kehoe im vorderen Zimmer, während Tony Eilis im Flur umarmte.
    »Es tut mir leid, dass ich nichts sagen kann«, sagte sie.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte er. »Wenn einer meiner Brüder gestorben wäre – vielleicht klingt das egoistisch, aber ich hab versucht, mir

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