Broughton House - Haus der Sehnsucht
vorbereitet, der gewiss folgen würde. Erst in den frühen Morgenstunden war sie eingeschlafen.
Sie bezweifelte nicht, dass Nick sie bestrafen wollte, indem er über Nacht bei Venice blieb. Doch er täuschte sich. Sie war sogar erleichtert.
Natürlich musste sie Nick früher oder später gegenübertreten, denn sie würde ihre Meinung nicht ändern. Wahrscheinlich würde es nicht so einfach werden, wie sie ursprünglich gehofft hatte. Aber irgendwie wird es schon klappen, sagte sie sich.
Rasch zog Fern ihren Mantel an und verließ das Haus. Sie ging zur Bibliothek und besorgte sich einige Bücher zum Thema berufliche Bildung. Beim Sozialwerk war sie schon gewesen und hatte eine Broschüre über den Beruf der Fürsorgerin geholt. Sie brauchte unbedingt eine ordentliche Ausbildung und gleichzeitig eine Stellung, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Cressy hatte sie auf den Gedanken gebracht, solch eine Tätigkeit in Erwägung zu ziehen. Sie besäße die Gabe, den Menschen zuzuhören, ohne ein Urteil über sie zu fällen. Genau das hatte auch Adam einmal gesagt.
Heute hatte sie keinen Grund, die Gegend mit seinem Büro zu meiden. Nicks Stiefbruder war mit Lily James und deren Familie in Italien. Seltsam, dass dieser Gedanke mehr schmerzte als die Erkenntnis, dass ihre Ehe mit Nick zu Ende war.
Entschlossen hob Fern den Kopf, blickte über den Marktplatz zu Adams Büro und erstarrte vor Schreck. Die Tür öffnete sich, und Adam kam heraus.
Adam wäre in Italien, hatte Nick höhnisch erklärt. Doch er war hier, nur wenige Meter von ihr entfernt. Zum Glück kehrte er ihr den Rücken zu und verschloss gerade die Tür.
Einen kurzen kostbaren Augenblick freute sich Fern über seinen Anblick. Ihr Herz schlug kräftiger, und ihr Puls begann vor Liebe zu diesem Mann zu rasen.
Dann war der schöne Moment vorbei, und die vertraute Verzweiflung kehrte zurück. Adam wollte sie nicht. Das hatte sie immer gewusst. Doch ihn zu lieben und ihn unerwartet zu sehen tat stärker weh als Nicks grausame Worte.
Adam hielt inne und blickte über die Schulter. Spürte er instinktiv ihr Verlangen? Zu Ferns Entsetzen überquerte er den Platz und kam auf sie zu.
Der Stolz und die Sorge, ihre wahren Gefühle zu verraten und Adam dadurch in Verlegenheit zu bringen, hielten Fern von einer Flucht ab.
Sie schloss die Augen, sobald sie Adams warme Stimme hörte, und wich instinktiv einen Schritt zurück. „Wie geht es dir?“
Wie konnte eine so banale Frage derart zärtlich und fürsorglich klingen? Andererseits machte Adam sich um alle Welt Sorgen. Weshalb nicht auch um sie?
„Ich … Mir geht es gut“, log sie. „Und du? Und Lily?“
„Lily?“ Er runzelte die Stirn.
„Ja …“ Fern begann ein wenig zu stottern. „Ich dachte … Ich hörte, dass du und sie … Ich glaubte, du wärst mit ihr und ihrer Familie in Italien.“
Adams Stirn glättete sich ein wenig. „Das war ich auch. Aber ich musste früher zurück. Etwas Geschäftliches.“
Hinter ihnen bog ein Wagen auf den Platz. Adam streckte die Hand nach Fern aus, als wollte er sie näher an sich ziehen. Doch sie trat sofort beiseite … Weg von ihm und aus seiner Reichweite. Ihr Hals schmerzte vor innerer Erregung und Liebe.
„Ich muss nach Hause“, stotterte sie und errötete heftig.
Sie merkte, dass Adam sie beobachtete. Aber sie wagte nicht, den Kopf zu heben.
Rasch wandte sie sich ab, eilte in die entgegengesetzte Richtung und zwang sich, nicht zurückzublicken.
Adam sah ihr betrübt nach. Er machte sich nichts vor. Wenn Fern gekonnt hätte, wäre sie verschwunden, ohne mit ihm zu reden. Konnte er es ihr verdenken? An ihrer Stelle hätte er genauso gehandelt.
Schmerz und Schuldgefühle schnürten sein Herz zusammen und hielten es erbarmungslos wie in einem Schraubstock gefangen.
Fern … Wenn er stillstand, die Augen schloss und sich nicht rührte, roch er noch einen winzigen Hauch ihres zarten Parfüms. Einst hatte dieser Duft an seiner Haut gehaftet, sodass er noch lange, nachdem sie gegangen war, das Gefühl gehabt hatte, ein Teil von ihr wäre bei ihm.
Fern … Heftig schluckte er den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte, und seine Augen wurden feucht. Fern … Als Fern ihr Haus erreichte, war sie überzeugt, dass sie ihren Schreck über das Wiedersehen mit Adam überwunden hätte und nicht mehr an ihren Stiefschwager denken würde. Wozu sollte das gut sein? Sie war schließlich eine Frau und kein verliebter Teenager, und sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher