Brown, Dale - Feuerflug
Einigkeit.« Al-Khan zog den traditionellen Namen seines Landes dem von Ausländern eingeführten Namen Ägypten vor.
»Ich weiß, dass viele von Ihnen nicht hinter mir stehen«, sprach al-Khan weiter. Sein Blick ging über die Sitzreihen seiner vielen politischen Gegner hinweg. »Obwohl unsere Gesetze auf der Scharia basieren, sind viele von Ihnen nicht der Überzeugung, diese Gesetze sollten strikt angewandt werden, wofür meine Mitgeistlichen und ich plädieren. Aber ich stehe nicht hier, um mit Ihnen über Ihre Ansichten, wie man Allah am besten dient, zu streiten. Ich bin hier, um Ihnen meine Vision für unser Land zu erläutern.
Mein Ziel ist es, die Anarchie zu beenden, die Gewalt zu beenden, den Verfall unserer Gesetze, unserer Familienbande, unserer Wirtschaft und unseres Wertesystems zu beenden. Meiner Überzeugung nach haben diese Gefahren zwei Ursachen: die Zionisten und die Amerikaner.« Mehrere Dutzend Abgeordnete schüttelten den Kopf und gaben ihrem Missfallen durch dezentes Gemurmel Ausdruck.
»Doch, doch, das wissen Sie so gut wie ich. Seit der Verräter Sadat den so genannten Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet hat, leidet unser Land unter einer lähmenden Rezession mit gleichzeitiger Inflation. Wir haben es kaum noch geschafft, unser Staatswesen zusammenzuhalten. Und wer ist uns dabei zu Hilfe gekommen? Die Amerikaner mit ihren Spionen, ihren fetten, Blut saugenden Industriellen, ihren Waffen und ihren korrumpierenden Dollars. Eines hängt mit dem anderen zusammen, meine Brüder und Schwestern: Die Zionisten schwächen uns, und ihre Herren, die Amerikaner, verstricken uns immer tiefer in ihre lüsterne, perverse Lebensart.« Wieder Stimmengemurmel, diesmal jedoch weit mehr Zustimmung als Ablehnung.
»Nun, ich sage: Schluss damit. Endgültig Schluss damit. Gestatten Sie mir, mich um das höchste Amt in unserem Staat zu bewerben. Im Falle meiner Wahl verspreche ich Ihnen, das Sündhafte in Regierung und Gesellschaft auszurotten. Ich verspreche, Misr dem Volk und Allah zurückzugeben. Sie alle wissen, dass das Volk hinter mir steht. Sie dürfen den Volkswillen nicht missachten und unsere Zukunft gefährden, indem Sie mir die Kandidatur verwehren. Für unser Land ist es lebenswichtig, dass der Heilungsprozess bald beginnt.
Ich vertraue darauf, dass Allah mir Weisheit und Stärke verleihen und mich mit starker Hand führen wird, wenn ich Ihnen verspreche, unser Land unter dem Banner von Einigkeit und Ehre in eine bessere Zukunft zu führen.«
In der Volkskammer kam verhaltener, höflicher Beifall auf – die meisten Abgeordneten waren clever genug, wenigstens Begeisterung zu heucheln. Dass das Parlament für eine Kandidatur al-Khans stimmen würde, stand praktisch bereits fest. Die Frage war nur: Würden auch die Wähler für ihn stimmen? Al-Khan war eine zwielichtige Gestalt, die in den Moscheen und bei der religiösen Landbevölkerung großen Einfluss hatte, aber in den Großstädten nicht sonderlich bekannt oder geschätzt war. Für viele Ägypter war er die Verkörperung einer rückwärts gewandten Politik, und das machte ihn nicht gerade populär.
Al-Khan verbeugte sich leicht und verließ das Podium. Als er an der Regierungsbank vorbeikam, streckte der Ministerpräsident ihm die Hand hin, aber al-Khan verbeugte sich nur und ließ die Hände in seinen Gewändern. Der Ministerpräsident ließ verlegen die Hand sinken, ignorierte das missbilligende Getuschel im Plenarsaal und ging selbst zum Podium. »Danke, Ulama al-Khan«, sagte der Parlamentspräsident. »Meine Damen und Herrn Abgeordneten, das Wort hat Ministerpräsident Dr. Achmed Kalir, der Kandidat der Nationalen Demokratischen Partei.«
Chalid al-Khan nahm seinen Platz in der Mitte der für Ehrengäste reservierten ersten Sitzreihe ein und saß unbeweglich da, während der nächste Redner unter begeistertem Beifall ans Mikrofon trat. Dr. Achmed Kalir war al-Khans gefährlichster Konkurrent. Der wohlhabende, international anerkannte Herzchirurg Kalir war ein erfahrener Politiker, der in den Großstädten beliebt und bei der Geschäftswelt angesehen war. Als Ministerpräsident hatte er die Verwaltung demokratisiert und die Rechte der Bürger gestärkt. Obwohl er gewiss keine charismatische Persönlichkeit war, hatte er sich durch Fleiß und Geradlinigkeit überall Respekt erworben. Kalir war eindeutig der Mann, den es zu schlagen galt.
»Ich freue mich, das Wort an Sie richten zu dürfen«, begann Kalir. »Im Namen der Nationalen
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