Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
wurde Makedonien als potenzielles NATO-Mitglied in die »Partnerschaft für den Frieden« aufgenommen, erhielt westliche Militär- und Wirtschaftshilfe im Wert von vielen Millionen Dollar und durfte seine Kandidatur für die Europäische Union und die Welthandelsorganisation (WTO) anmelden.
Einige der blutigsten Gefechte zwischen albanischen Waffenschmugglern sowie makedonischer Polizei und Grenztruppen hatten in der Nähe der Stadt Struga am Nordufer des Ohridsees stattgefunden, der im Südwesten Makedoniens im Vardartal liegt. Die Schmuggelroute führte durch dieses Tal nach Norden in die jugoslawische Provinz Kosovo und von dort aus weiter nach Mitteleuropa oder nach Süden zum Ohridsee und letztlich zum Ägäischen Meer. Die ungefähr zwanzig Kilometer entfernte Stadt Ohrid war wegen ihrer Ansammlung von christlichen und muslimischen Heiligtümern, Kirchen, Moscheen, Klöstern, Kathedralen, Burgen und Befestigungsanlagen, die zum Teil noch aus der Zeit Alexanders des Großen stammten, als das »Jerusalem des Balkans« bekannt.
Seit dem Angriff auf Kukës herrschte entlang der albanisch-makedonischen Grenze fieberhafte Spannung. Als Vergeltung für albanische Überfälle und Feuergefechte im Grenzgebiet sollten angeblich makedonische Truppen in der Teppichfabrik Kukës zwei gewaltige Explosionen herbeigeführt haben, bei denen es hunderte von Toten gegeben hatte. Nun befand die albanische Armee sich auf einem Rachefeldzug. Heckenschützen-, Guerilla- und Sabotageangriffe entlang der Grenze nahmen an Häufigkeit und Intensität zu und drohten, in einen regelrechten Krieg auszuarten. Dank amerikanischer Rüstungshilfe in den vergangenen Jahren verfügte die winzige Armee der Republik Makedonien über mehr moderne Waffen als der Gegner im Westen, aber Albanien war taktisch und zahlenmäßig überlegen. Die dreimal größere albanische Armee besaß viermal mehr Artillerie und sechsmal mehr Schützenpanzer – und ihre Truppen hatten den Vorteil, aus Stellungen in den Bergen entlang der Grenze auf die Makedonier herabzublicken.
Deshalb konnte eigentlich niemand verstehen, weshalb die makedonische Armee plötzlich mit der Beschießung mehrerer albanischer Grenzposten westlich von Struga begann. Augenzeugen berichteten, kurz vor Mitternacht hätten zwei 105-mm-Geschütze auf Selbstfahrlafetten das Feuer auf albanische Beobachtungsposten eröffnet, auf zwei kleine Unterstände aus Holz und Felsbrocken mit Blick über den Ohridsee.
Die albanische Armee erwiderte das Feuer sofort. Da die Grenzposten nicht mit modernen Sensoren oder Spezialgeräten für nächtliche Artillerieduelle – keine Nachtsichtgeräte, kein Feuerleitradar – ausgerüstet waren, war es höchst erstaunlich, dass die beiden Geschütze auf Selbstfahrlafetten, die zuerst geschossen haben sollten, gleich von der ersten Salve des albanischen Abwehrfeuers getroffen und völlig zerstört wurden. Damit gaben die Albaner sich jedoch nicht zufrieden. Nachdem die Geschütze zerstört waren, kam die nächste makedonische Feuerstellung an die Reihe, dann folgte die übernächste Stellung, und zuletzt wurde Struga beschossen. Die albanische Artillerie beschoss die Stadt drei Stunden lang mit Granaten und Raketen aus elf hoch gelegenen Feuerstellungen, von denen einige bis zu dreizehn Kilometer weit entfernt waren.
»Perfekt«, sagte Gennadij Jegorow, der Waffenoffizier des Stealth-Jagdbombers Metjor Mt179. »Die Albaner reagieren noch besser als erwartet.«
Der Plan war einfach gewesen. Einige von Pawel Kasakows Leuten in Makedonien hatten aus einem Artilleriedepot in Bitola zwei Geschütze auf Selbstfahrlafetten gestohlen – beide fahrbereit, aber nicht imstande, auch nur einen einzigen Schuss abzugeben. Die selbstfahrenden Geschütze waren gerade überholt worden; mit abgenommenen Rohren sahen sie wie gewöhnliche Panzerfahrzeuge aus, als sie die Fernstraße entlangrumpelten. Nach nur drei Stunden erreichten sie den Raum Struga und wurden dort abgestellt.
Unterdessen war die Mt179 auf ihrem geheimen Stützpunkt bei Codlea gestartet. Da die NATO kein neues AWACS-Flugzeug über dem Balkan stationieren würde, bis feststand, wer die Maschine einige Wochen zuvor abgeschossen hatte, war ihr Flug über Rumänien, Bulgarien, den Kosovo und Makedonien nach Ohrid ein Kinderspiel. Für diesen Einsatz war der Stealth-Jagdbomber mit vier Jagdraketen mit Infrarotsuchköpfen in den Tragflächen und vier lasergesteuerten Abwurflenkwaffen in ihrer Bombenkammer bewaffnet.
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