Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
unbehaglichen Ende.
Büro des russischen Präsidenten im Kreml, Moskau
(am nächsten Morgen)
»Das kann nicht wahr sein«, sagte der Staatspräsident. Er trank einen Schluck Kaffee, stellte die Porzellantasse auf ihre dünne Untertasse zurück und starrte aus einem Fenster seines Büros in den kalten Regen hinaus. »Erstaunlich, was ein paar Wochen bewirken können.«
»Für die Meldung gibt es noch keine Bestätigung, Gospodin Präsident«, antwortete Armeegeneral Nikolai Denissowitsch Stepaschin, während er sich Kaffee nachgoss. »Vielleicht ist sie nicht wahr. Vielleicht ist sie ein kunstvoller Schwindel, ein Sicherheitstest oder ein schlechter Scherz.« Der General, der einen zu großen Anzug mit zu kleiner Krawatte trug, sah genau wie der im Dienst ergraute Feldkommandeur aus, der er war. Er leerte seine Tasse, die dritte an diesem Morgen, und hätte sich am liebsten gleich wieder nachgeschenkt. »Aber die abgehörte Nachricht klingt so verrückt, und die Reaktion des Bundeskanzlers war so massiv, dass ich die Meldung lieber weiterleiten wollte.«
»Erklärt mir, was das bedeutet«, sagte Walentin Gennadjewitsch Senkow, Präsident der Russischen Föderation. »Irgendjemand soll mir bitte erklären, was zum Te u f el das bedeutet.« Manchmal hatte Senkow das Gefühl, umso weniger zu wissen, je mehr er dazulernte – und noch weniger zu verstehen.
Der 52-jährige Walentin Gennadjewitsch Senkow war Vorsitzender der Russischen Vaterlandspartei, der Nachfolgerin der Liberaldemokratischen Partei von Präsident Witalij Welitschko, der Senkows Freund und Mentor gewesen war. Nachdem Welitschko bei dem durch Russlands Versuch, die ehemalige Sowjetunion gewaltsam wiederherzustellen, ausgelösten amerikanisch-ukrainischen Angriff auf Moskau umgekommen war, hatte Senkow, ein ehemaliger KGB-Offizier und ehemaliger Ministerpräsident, das Amt des Präsidenten kommissarisch übernommen. Bei den bald danach angesetzten Neuwahlen war er jedoch abgewählt worden; der Name seiner Partei war so untrennbar mit Welitschkos Fehlschlag verbunden, dass er ihn änderte, damit das russische Volk ihn nicht mit vergangenen Misserfolgen in Verbindung bringen konnte. Seinen Sitz im Föderationsrat, der zweiten Kammer des russischen Parlaments, hatte er nur mit knapper Not behauptet.
Als es Boris Jelzins Reformregierung nicht gelungen war, Russland aus seiner wirtschaftlichen, politischen und moralischen Misere zu führen, war an Senkow und seine neue Russische Vaterlandspartei der Ruf ergangen, die Regierung zu unterstützen und mitzuhelfen, damit sie das Vertrauen der Wähler zurückgewann. Jelzin hatte sich nur an der Macht halten können, indem er Senkow und mit ihm ein paar weitere übrig gebliebene Anhänger eines autoritären Regierungsstils nach alter sowjetischer Art zurückholte. So war Senkow wieder im Kreml angelangt – kein Ausgestoßener mehr, sondern erst Außenminister und dann Ministerpräsident. Als der alkoholkranke Jelzin hatte abdanken müssen, war Walentin Senkow von der Duma einstimmig zum amtierenden Präsidenten gewählt worden. Bei seiner Wahl, nur vier Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen, hatten die konservativen Neo-Kommunisten einen erdrutschartigen Sieg errungen.
Senkow schien dort weiterzumachen, wo Welitschko aufgehört hatte, aber diesmal nahm das russische Volk seine politischen Ansichten und Taten positiv auf. Senkow hatte die Rebellion in Tschetschnja sofort unterdrückt; er versprach, das Atomwaffenarsenal Russlands zu modernisieren, und trat aus dem Europarat aus, weil der Rat Russlands Kriegsführung in Tschetschnja verurteilt hatte, während er andererseits zu den NATO-Luftangriffen auf Bosnien und Serbien geschwiegen hatte. Seine Mischung aus unaufdringlicher Härte und konservativen, nationalistischen Idealen kam bei den Russen, die es leid waren, ihr Land zu einer lediglich sehr großen DritteWelt-Nation verkommen zu sehen, sehr gut an. Die bald danach abgehaltenen Neuwahlen hatten seiner Russischen Vaterlandspartei im Föderationsrat und in der Duma die absolute Mehrheit gebracht, und Walentin Senkow war zum Präsidenten gewählt worden.
»Was geht hier vor? Was steckt dahinter?«, fragte Senkow. »Die Amerikaner wollen tatsächlich den Kosovo verlassen, Bosnien verlassen, den Balkan verlassen, die NATO verlassen, Europa verlassen ?«
»Falls das stimmt, Walentin Gennadjewitsch, bedeutet es, dass die Vereinigten Staaten implodieren – buchstäblich und im übertragenen Sinn«, sagte
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