Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
nach Moskau oder St. Petersburg zu gehen, kam aber doch immer wieder davon ab – meistens nachdem sie einen neuen Piloten oder hohen Offizier einer der auf dem Luftwaffenstützpunkt Shukowski stationierten Staffeln kennen gelernt hatte.
Niemand kannte den wahren Grund dafür, dass sie am Flugforschungsinstitut blieb, heiße Affären mit hohen Offizieren hatte, die sie bald wieder abbrach, und sich mit einem verhältnismäßig niedrigen Gehalt zufrieden gab, obwohl sie anderswo weit mehr hätte verdienen können. Der wahre Grund: Linda Mae war eine amerikanische Spionin. Ihr karges Ingenieursgehalt wurde durch Zahlungen auf ein Nummernkonto auf den Cayman Islands reichlich aufgebessert, und dorthin wollte sie sich auch zurückziehen, sobald sie das Gefühl hatte, ihre Tarnung sei aufgeflogen.
Sie hatte gerade eine Aufnahme von dem passiven Rekorder heruntergeladen, den sie vor einigen Wochen im Hangar von Metjor Aerospace installiert hatte. Bis vor kurzem war bei Metjor nicht viel los gewesen – bis der Vater Pawel Kasakows, des Großaktionärs der IIG Metjor, im Kosovo brutal ermordet worden war. Danach hatte bei Metjor Aerospace plötzlich Hochbetrieb geherrscht. Bevor die Sicherheitsvorkehrungen dort drüben erheblich verschärft worden waren, war es ihr gelungen, im Haupthangar und in den Büros Abhörmikrofone zu installieren. Ihr rotes Haar, ihre grünen Augen, ihre üppige Oberweite und ihre kecke Art zogen alle Männer an, unabhängig davon, ob sie jung oder alt, ledig oder verheiratet waren, sodass sie praktisch freien Zugang zu Metjor hatte. Aber trotz aller Bemühungen war es ihr nicht gelungen, sich Zugang zu dem bewachten Hangarteil zu verschaffen oder an Dr. Pjotr Fursenko, den Direktor des Luftfahrtforschungszentrums N.J. Shukowski, heranzukommen. Der alte Furzer war bestimmt schwul – sie hatte versucht, ihn mit ihren weiblichen Reizen zu umgarnen, aber das hatte nichts geholfen.
Linda Mae hatte ihren Start nicht beobachtet, aber sie wusste, dass die Metjor Mt179 seit dem Tag nach dem Luftangriff auf Kukës verschwunden war. Für sie stand fest, welcher Bomber diesen Angriff geflogen hatte. Aus den vielen abgehörten Gesprächen hatte sie den gesamten Zeitplan dieses Einsatzes rekonstruieren können: wann die Maschine mit scharfen Waffen beladen worden war, woher die Bewaffnung stammte, welchen Kurs die Mt179 fliegen würde – und sogar, was die Besatzung tun sollte, wenn sie einem AWACS-Flugzeug begegnete, was offenbar der Fall gewesen war. Ihre Abhörmikrofone waren sehr, sehr empfindlich.
Um die Entdeckungsgefahr zu verringern, mussten sie leider mit ganz geringer Sendeleistung arbeiten, was bedeutete, dass Linda Mae sehr nahe an den Hangar herankommen musste, um die aufgezeichneten Gespräche herunterladen zu können; außerdem musste der an den Rekorder angeschlossene Sender im VLF-Bereich arbeiten, um die stählernen Hangarwände zu durchdringen, sodass die Übermittlung der komprimierten Datenpakete sehr langsam vor sich ging. Sie musste mit ihrem Empfänger bis auf zweihundert Meter an den Sender herankommen, und da der Download eines fünfminütigen Gesprächs mindestens eine Minute dauerte, musste sie sich wenigstens eine halbe Stunde im Empfangsbereich aufhalten.
Linda Mae würde nie ein Apartment auf dem Stützpunkt zugewiesen bekommen, und da sie im Augenblick keinen Freund hatte, der dort wohnte, musste sie den Download tarnen, indem sie sich aufs Joggen verlegte. Von den Hauptgebäuden aus verlief die Ringstraße um die Landebahn des Stützpunkts parallel zu der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bahn bis zu der Wohnsiedlung im äußersten Süden. Jeden Tag nach der Arbeit am Schreibtisch oder im Labor zog Linda Mae einen Jogginganzug an, steckte ihren als Walkman getarnten Rekorder aus österreichischer Produktion ein, joggte auf der Ringstraße bis zur Wohnsiedlung, wo sie eine Ruhepause machte oder dort wohnende Freunde besuchte, und joggte dann zurück. Solange sie nicht weiter als zweihundert Meter von dem Metjor-Hangar entfernt war, übermittelte der automatisch abgefragte Sender Datenpakete, die auf der Compact – Flash-Speicherkarte in ihrem Rekorder aufgezeichnet wurden. Obwohl Linda Mae fit genug war, um einen Marathon zu bestreiten, legte sie nach jedem Kilometer eine Pause ein, um ihren Puls zu kontrollieren, wieder zu Atem zu kommen, landende Flugzeuge zu beobachten oder Dehnübungen zu machen. Am Tor von Metjor Aerospace stand oft ein freundlicher Wachposten, bei
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