Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
alte Einsiedler hatte ihr Halstuch so sorgfältig
gewaschen, dass nicht die kleinste Blutspur zurückgeblieben war. War ihm die Rückgabe so wichtig gewesen, dass er
es sogar in Kauf genommen hatte, gesehen zu werden?
Vermutlich.
Lauren merkte, dass Thorn sie unverwandt anstarrte. »Ich
... ich muss es irgendwo verloren haben«, stammelte sie.
»Schätze, irgendjemand hat es gefunden und ... zurückgebracht. Danke.«
Statt einer Antwort nickte er knapp. Der Indianer wusste
mehr, als er preisgab, überlegte Lauren. Schon verschwand
er wieder in der Dunkelheit.
In der dritten Februarwoche setzten heftige Schneefälle
ein, nachdem der Nordwind die Gegend mit Regen, Graupel und Hagel malträtiert hatte.
Während draußen der Sturm toste, saßen Rudy, Gloria,
Maria und Lauren vor dem Kamin und genossen die himmlische Ruhe, nachdem sie die Kinder in ihre Betten gestopft
hatten. Gloria hatte die kleine Lauren gefüttert und reichte
sie ihrer Namenscousine. Lauren drückte das Baby an ihre
Brust, streichelte mit ihrem Kinn behutsam über den weichen, dunklen Kopfflaum. Dann versorgte Gloria den kleinen Nimmersatt Benjamin, und Rudy und Maria schauten
leise schmunzelnd zu.
Alle schraken zusammen, da sie mit einem Mal schwere
Stiefelschritte auf der Veranda vernahmen. Immer noch ärgerlich über die Köhler, schnappte Rudy sich sein Holster,
das auf dem Kaminsims lag, zog den Colt heraus und setzte
zur Tür. Die sprang just in dem Moment auf, und eine eisige Windböe fegte ins Zimmer.
Kapitel 21
Jemand schob sich ins Innere und schloss eilends die Tür
hinter sich. Der Fremde drehte sich bedächtig zu ihnen hinter sich. Der Fremde drehte sich bedächtig zu ihnen um,
und Lauren rang nach Luft, als sie unter der schweren Kleidung ihren Ehemann erkannte. Sein Kopf schnellte zu ihr
herum, und er musste sich einen anerkennenden Pfiff verbeißen. Der Feuerschein hüllte sie in mattgoldenes Licht,
die gelösten Haare fächerten sich um ihre Schultern, sie
wiegte ein Baby in den Armen. Er blieb wie angewurzelt
stehen.
»Grundgütiger, Jared, du bist um eine Überraschung wohl
nie verlegen, was?« Rudy klopfte seinem Bruder auf den
Rücken. »Ich hätte dich beinahe abgeknallt, du Hornochse.
Was musst du auch ausgerechnet in der Nacht heimkommen, wo hier der schlimmste Blizzard der Saison wütet?«
Jared schüttelte benommen den Kopf. »Ich ... ich hatte
keine Ahnung, dass es sich so zuziehen würde. Ich war
schon auf halbem Weg.«
»Wir sind jedenfalls froh, dass du heil bei uns angekommen bist.« Maria betrachtete ihn liebevoll, und er erwiderte
ihr warmes Lächeln.
»Es war zwar lebensgefährlich, trotzdem freue ich mich,
dass du wieder da bist.« Gloria lief zu ihm und breitete die
Arme aus. Obwohl insgeheim pikiert, dass er Lauren demonstrativ ignorierte, überstieg ihre Wiedersehensfreude
zunächst alle anderen Empfindungen.
»Schau sie dir an! Du hast deine gute Figur zurück, alle
Achtung. Ich umarm dich besser, bevor Rudy dich wieder
aufpumpt wie einen Ballon.« Er umarmte sie stürmisch,
obwohl sie heftig protestierte.
»Sieh mal, was wir da haben.« Sie löste sich aus seiner
Umarmung.
Sie hatte Benjamin in eine der beiden Wiegen gelegt, die
vor dem Kamin standen. Dort schliefen die Babys tagsüber,
sofern ihre lärmenden Geschwister sie nicht störten. Jared
beugte sich über das Bettchen und streichelte dem Baby
zaghaft über die Wange. »Wie heißt der Kleine?«, flüsterte
er.
»Das ist Benjamin«, sagte Maria stolz.
»Und das ist Lauren.« Gloria deutete auf den Zwilling,
den Jareds Frau im Arm hielt.
Lauren hatte es die Sprache verschlagen. Dass er so plötzlich wieder auftauchen würde, bei Schnee und Sturm, damit
hatte sie nicht gerechnet. Er knotete das Tuch auf, mit dem
er sich den Hut festgebunden hatte, und fuhr sich durch die
langen, feuchten, zerwühlten Haare. Zog seinen Schaffellmantel aus und ging zu der Wiege, um Benjamin zu bewundern. Er wirkte müde und erschlagen und hatte sich
länger nicht rasiert.
Aber er war da. Jared war zurückgekehrt.
Er ließ sich vor ihrem Sessel auf die Fersen zurücksinken
und musterte sie schweigend. Und ihre Blicke sagten mehr
als tausend Worte.
»Lauren hat sie auf die Welt geholt, deshalb haben wir sie
nach ihrer Tante benannt«, sagte Maria.
»Du hast das Baby auf die Welt geholt?«, fragte Jared ungläubig leise.
Lauren nickte und hielt ihm das kleine Bündel hin. Er
fasste die winzige Faust und lächelte, als das Baby
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