Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
Wir - also Rudy und ich - durften
Thorn häufiger auf seinen Ausritten begleiten. Er brachte
uns bei, wie man Hirsche jagt, die Sterne deutet, Wetterprognosen vom Himmel abliest und dergleichen.«
Lauren war fasziniert von der Geschichte und von Jareds
plötzlicher Mitteilsamkeit. »Dann seid ihr zusammen aufgewachsen, du und Rudy?«, forschte sie. Die Frage schien
ihm unbehaglich zu sein, denn er antwortete zögerlich mit
einem Ja.
»Es ist wunderschön hier, wirklich, Jared«, rutschte es ihr
impulsiv heraus.
Er warf ihr einen schiefen Seitenblick zu und sah weg.
Blinzelte ins Sonnenlicht und ließ das Panorama auf sich
wirken. »Ja, es ist schön hier.« Eine längere Pause schloss
sich an. Dann sprang er abrupt auf, als ärgerte er sich über
sein freimütiges Geständnis. »Wenn du ein bisschen Privatsphäre brauchst, geh dort hinter die Felsen.«
Anfangs begriff sie nicht, was er damit meinte. Als es ihr
dämmerte, stammelte sie peinlich berührt: »Nein ... öhm ...
ich muss nicht.«
»Aber ich. Bitte entschuldige mich kurz«, sagte er gestelzt
höflich. Lauren errötete bis zu den Haarwurzeln. Lachend
trollte er sich, seine Sporen klirrten über das Ufergeröll.
Lauren packte den Rest ihres Sandwiches ein und schob
es wieder in Jareds Satteltasche. Unschlüssig blieb sie neben dem prachtvollen Palomino stehen. In einer der Satteltaschen steckte eine Flinte. Sie hatte vorhin schon bemerkt,
dass Jared ein Holster mit einem Revolver trug. Als wäre der
Umgang mit Waffen das Natürlichste von der Welt, überlegte sie, trotzdem machten sie ihr Angst.
Als er zu den Pferden zurückkehrte, fragte sie: »Ich hab
ein paar entwurzelte Bäume gesehen. Wird dieses Land gerodet und urbar gemacht?«
»Nein, das macht der Rio Caballo, wenn er über die Ufer
tritt. Vor zwei Jahren hatten wir die schlimmste Flut in der
neueren texanischen Geschichte. Bäume, Vieh, Häuser, sogar Brücken, alles wurde weggespült.«
»Dabei sieht der Fluss so ruhig aus.«
»Meistens ist er das auch. Bei länger anhaltenden Unwettern kann er jedoch zum heimtückisch reißenden Ungeheuer werden. Dann holt er sich zurück, was wir ihm genommen haben.« Aus dem Munde dieses ungewöhnlich reservierten Mannes klang das wie eine poetische Metapher.
Mechanisch versetzte er ihrer Kehrseite einen Schubs auf
das Pferd. Ihr entwich ein gepresstes »Autsch«. Um den
Schmerzenslaut zu überspielen, fragte sie: »Wie heißt eigentlich mein Pferd?«
»Wie es heißt? Ich glaube, die Vaqueros nennen sie Flame, wegen ihres rötlichen Fells.«
»Und deiner?«
»Das ist Charger«, sagte er stolz. Er tätschelte die herrliche Mähne. »Er ist heute Morgen ein bisschen indisponiert.
»Ich denke ... na ja, bei der schönen Flame wird er halt rossig, der Bursche.« Die goldbraunen Augen hefteten sich auf
Lauren, die tief errötete. Unwillkürlich glitt ihr Blick zwi
schen die Hinterbacken des Hengstes.
Es heißt, er ist bestückt wie ein Hengst!, echoten Elenas
Worte in ihrem Kopf. Lauren bekam prompt einen Hustenanfall.
Jared brüllte vor Lachen. »Keine Sorge, Lauren. Charger
ist ein Gentleman, er besteigt sie nicht vor aller Augen.
Trotzdem muss ich ihn an der kurzen Leine führen, damit
er mir nicht auf dumme Ideen kommt.« Er wurde wieder
ernst. »Er ist eben ein Tier, was soll`s? Ben hat ihn mir nach
meiner Rückkehr aus Kuba geschenkt.«
»Du hast im Krieg gekämpft?«, entfuhr es ihr verblüfft.
Er nickte nur und schwieg. Anscheinend mochte er nicht
an diesen Krieg erinnert werden. Sein Blick wurde unvermittelt kalt wie Eisnadeln. Mist, jetzt hatte sie ihm die gute
Laune verdorben. Bestürzt wandte sie den Kopf ab und
starrte Löcher in die Luft.
Nach einer weiteren Stunde Ritt erreichten sie einen erhöhten Aussichtspunkt. Vor ihnen erstreckten sich endlos
weite Ebenen. Es war ein grandioses Panorama. Eine riesige Viehherde, vorwiegend Hereford-Rinder, graste auf den
sattgrünen Wiesen oder stand an den seichten Ufern des
Flusses, der die Weiden durchschlängelte. Einzelne Rinder,
deren zottiges, rotes Fell sich von dem frischen Grün abhob,
lagen im Schatten der Zedern, die wie dunkle Punkte das
Tal sprenkelten.
Lauren war dermaßen entrückt, dass sie den donnernden
Hufschlag nicht wahrnahm, der bedrohlich näher kam. Sie
kreischte in Panik auf, als sie den fremden Reitertrupp gewahrte. Es waren schätzungsweise zehn Reiter, und sie hatten Tücher vor ihre Gesichter gebunden, die Hüte tief ins
Gesicht gezogen, Revolver und Flinten im Anschlag.
Dicht
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