Brown Sandra
lassen, besonders wenn es sich um jemanden wie Neal Patchett handelt.«
»Ich will aber nicht mit Neal sprechen, Mama.«
»Aber mit dem Parker-Jungen kannst du stundenlang am Telefon quatschen, wie?«
Jade biß sich auf die Lippe. Nach einer Weile antwortete sie ganz ruhig: »Ich muß noch lernen. Gute Nacht.«
Velta schaltete den Fernseher aus, folgte ihrer Tochter und schlüpfte durch die Tür, bevor Jade sie schließen konnte. »Du lernst viel zuviel. Das ist nicht normal.«
Jade zog Rock und Pullover aus und hängte beides sorgsam in den schmalen Schrank. »Ich muß schließlich meinen guten Notendurchschnitt halten, wenn ich das Stipendium bekommen will.«
»Das Stipendium«, zischte Velta. »Kannst du an nichts anderes mehr denken?«
»Nein. Denn nur so kann ich mir das College leisten.«
»Wenn du mich fragst, ist das sowieso die reinste Zeitverschwendung für ein Mädchen wie dich.«
Jade drehte sich um und sah ihrer Mutter in die Augen.
»Mama… nicht schon wieder. Ich werde aufs College gehen. Ob du es willst oder nicht.«
»Es geht nicht darum, ob ich es will. Ich glaub’ einfach nicht, daß es sein muß.«
»Muß es aber, wenn ich einmal Karriere machen will.«
»Du wirst nur viel Geld und Zeit verschwenden, um dann sowieso zu heiraten.«
»Heutzutage kann man als Frau beides haben.«
Velta durchquerte das Zimmer, nahm Jades Kinn, hob es hoch und verzog angewidert die Miene, als sie einen Knutschfleck entdeckte. »Weißt du nicht, daß dich kein anständiger Mann mehr nehmen wird, wenn du dir von diesem Parker-Jungen ein Kind anhängen läßt?«
»Gary wird mir kein Kind anhängen. Außerdem ist er der anständigste Mensch, den ich kenne. Ich werde Gary heiraten, Mama.«
»Jade, Jungen versprechen Mädchen das Blaue vom Himmel, nur um sie ins Bett zu kriegen. Wenn du dich an diesen Jungen verschenkst, wird dich kein anderer mehr wollen.«
Jade ließ sich auf die Bettkante sinken und schüttelte traurig den Kopf. »Mama, ich habe mich bisher an niemanden verschenkt. Und wenn ich es tue, dann wird Gary derjenige sein, weil wir uns lieben.«
Velta schnaubte verächtlich. »Was weißt du schon von Liebe? Du bist noch viel zu jung.«
Jades Augen verfärbten sich dunkelblau, ein Zeichen, daß sie wütend wurde. »Wenn Neal Patchett mein Freund wäre, würdest du doch ganz anders reden. Du würdest mich drängen, ihn mit allen Mitteln festzunageln– selbst mit Sex.«
»Zumindest wärst du jemand in dieser Stadt, wenn du ihn heiratest.«
»Ich bin jemand!«
Velta stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist genau wie dein Vater– nur Flausen im Kopf. Eine echte Idealistin.«
»Was ist falsch daran, Ziele zu haben?«
»Ziele?« höhnte Velta. »Dieses Wort paßt wohl kaum im Zusammenhang mit deinem Vater. Er hatte nicht ein einziges Ziel in seinem Leben. Während unserer gesamten Ehe hat er nichts von Wert geschaffen.«
»Er hat mich geliebt«, erwiderte Jade scharf. »Ist das etwa nichts von Wert?«
Velta drehte sich um und stolzierte zur Tür. Bevor sie das Zimmer verließ, sagte sie: »Als ich in deinem Alter war, habe ich den Helden der Stadt geheiratet. Und jetzt ist das dein Gary. Er ist gutaussehend, ein toller Sportler, Schülersprecher, alles, was ein Mädchen sich nur wünscht.«
Sie lachte spöttisch auf. »Und sieh mich jetzt an. Helden sind nicht von Dauer, Jade. Sie verblassen wie billige Gardinen. Geld ist das einzige, was wirklich zählt. Egal, wie viele Auszeichnungen der Parker-Junge noch bekommt, er wird nie mehr als Otis Parkers Erstgeborener sein. Und das ist mir nicht genug für dich.«
»Nein, Mama– es ist dir selbst nicht genug«, verbesserte Jade sie leise.
Velta schlug die Tür hinter sich zu.
***
Jade saß auf einem hohen Hocker und knabberte an einem Butterkeks. Sie hatte sich mit den Absätzen in die Chromstange eingehakt, die den Fuß des Hockers umspannte. Auf ihrem Schoß lag das aufgeschlagene Chemiebuch.
Nach der Schule und samstags den halben Tag arbeitete Jade im Laden der Jones Brothers. Während der Woche kam sie für gewöhnlich um vier und blieb, bis Velta sie auf dem Rückweg von der Arbeit um sechs abholte.
Es war keine lange Schicht, aber so hatte Pete, der letzte noch lebende von drei Brüdern, die Möglichkeit, einige Stunden mit seiner kranken Frau im Pflegeheim zu verbringen. Und Jade verdiente sich etwas Taschengeld.
Der Laden war ein Relikt aus alten Zeiten. Die Bodendielen waren durch jahrzehntelanges Bohnern mit einem wachsartigen Film überzogen. An
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