Brown Sandra
zum Schlafen und etwas zu essen zu haben. Er war der ideale Soldat gewesen, weil es immer jemanden gab, der ihm sagte, was er zu tun und zu lassen hatte. Die Vorgesetzten hatten ihm befohlen, mit den Kommies kurzen Prozeß zu machen, und weil er ein ausgezeichneter Schütze war, hatte er genau das getan. Eines Nachmittags löschte er zweiundzwanzig Koreaner aus; er dachte dabei nicht im mindesten daran, dafür einen Orden zu erhalten.
Er war sehr beliebt. Er besaß Charisma und eine Art, von der sich die Menschen automatisch angezogen mochten Ron Sperry. Allerdings – mit rumzuhängen und amüsante Anekdoten in der Billardhalle auszutauschen brachte nichts ein, und so ließ er sich von einem zukunftslosen Job zum nächsten treiben.
Jedesmal, wenn er eine Stelle antrat, schöpfte Velta neuen Mut. Dieser Job würde sie sicher endlich reich machen. Aber die Ehrenmedaille garantierte ihnen nur Respekt und brachte nie den Reichtum und das Ansehen, nach dem Velta sich sehnte. Selbst eine Ehrenmedaille reichte nicht, um sich in der Südstaaten-Society zu etablieren, wenn man keinen mächtigen Großvater und kein damit einhergehendes Familienerbe vorweisen konnte.
Velta war das vierte von elf Kindern. Ihr Vater war Farmpächter, bis er eines Tages hinter seinem Pflug tot zusammenbrach. Er hinterließ seine Frau mit einer Schar von Kindern, die noch nicht verheiratet waren. Von da an war die fühlten. Alle den Kumpeln Familie auf die Almosen anderer angewiesen.
Doch mehr noch als Armut und Hunger fürchtete Velta Spott. Als Rons Heiligenschein allmählich verblaßte, mutmaßte sie, daß die Leute sich hinter ihrem Rücken lustig machten. Immer wieder warf sie Ron vor, ihre Chance zu verspielen. Sie versuchte es mit Drohungen und Schmeicheleien, doch ihm fehlte ganz einfach der Ehrgeiz zum Geldverdienen. Daß er sich zum Militär zurückmeldete, ließ Velta nicht zu. Es wäre zu erniedrigend, eine Bankrotterklärung, sagte sie damals.
Am Ende ihrer Weisheit angelangt, beschloß sie, ihn zu verlassen, doch dann wurde sie, nach sechs Jahren kinderloser Ehe, überraschend schwanger. Sie klammerte sich an die Hoffnung, das Baby würde ihrem Ehemann den entscheidenden Anstoß geben, an seinen Ruhm als Soldat anzuknüpfen, doch als Jade schließlich da war, war es Velta, die in Ivan Patchetts Fabrik arbeiten ging.
Die letzten zehn Jahre in Rons Biographie bestanden hauptsächlich aus unzähligen Jobs, aus großen Träumen, die niemals wahr wurden, und Versprechen, die in immer größeren Mengen Alkohol ertränkt wurden.
Eines Tages, als Velta bei der Arbeit und Jade in der Schule war, starb er, während schrieb Sheriff Jolly Totenschein. Der örtliche Verband der Kriegsveteranen bezahlte die Überführung zum Arlington National Friedhof, damit Velta und Jade Ronald Sperry ein Heldenbegräbnis ausrichten konnten.
Als sie jetzt sein Foto betrachtete, empfand Velta nicht die Spur von Sehnsucht nach ihm. Sicher, Ron war bis zu dem Tag, an dem er starb, gutaussehend, leidenschaftlich und fabelhaft gewesen– aber was hatte ihr das genutzt?
Jade jedoch vermißte ihn bis heute. Velta nahm ihrer Tochter übel, daß sie ihren Vater derart verherrlichte. Schon damals, als er sein Gewehr reinigte. Jedenfalls das barmherzigerweise auf den er noch lebte, war sie auf die gegenseitige, blinde Bewunderung der beiden eifersüchtig gewesen.
Oft hatte er Jade auf den Schoß genommen und gesagt: »Dir wird es einmal gutgehen. Du hast mein Aussehen und das Rückgrat deiner Mutter geerbt. Du darfst nur niemals Angst haben, dann wird schon alles gutgehen.«
Jade sollte es mehr als gutgehen. Wenn es nach Velta ging, würde ihre Tochter einmal eine viel bessere Partie machen als sie selbst.
»Neal Patchett hat vor einer Weile angerufen«, sagte sie, und zum erstenmal, seitdem Jade nach Hause gekommen war, lächelte sie. »Er ist wirklich ein kleiner Charmeur.«
»Er ist ein Schleimer.«
Velta war von Jades barscher Reaktion überrascht. »Es ist häßlich, so etwas zu sagen.«
»Neal ist häßlich.«
»Häßlich? So? Dutzende von Mädchen auf der High School würden einen Arm dafür geben, daß er sie anruft.«
»Dann sollen sie ihn doch haben.«
»Ich finde, du könntest ihn um diese Zeit durchaus noch zurückrufen.«
Jade schüttelte den Kopf. »Ich muß bis morgen noch ein Kapitel im Geschichtsbuch lesen.«
»Jade«, rief Velta mahnend ihrer Tochter nach, die sich anschickte, auf ihr Zimmer zu gehen. »Es ist unhöflich, einen Anruf unbeantwortet zu
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