Brown Sandra
Haarsträhne um seinen Finger. »Und ich
glaube, daß ich dir das Baby gemacht habe. Ich glaube, der
Junge ist von mir. Und wir Patchetts neigen nun mal dazu, uns
das zu nehmen, was uns gehört.«
Jade warf den Kopf zurück und legte gleichzeitig den
Rückwärtsgang ein. Der Wagen schoß nach hinten und riß Neal
dabei fast den Arm ab. Dann schaltete sie auf Drive und gab
Gas. Der Jeep verpaßte die Stoßstange des El Dorado nur um
Haaresbreite. Jade umklammerte das Lenkrad. Sie biß die Zähne
zusammen, um nicht zu schreien. Zur Hölle mit ihnen! Welche
Macht besaßen die Patchetts über sie, daß sie es immer wieder
schafften, sie zu terrorisieren?
Sie war noch ganz benommen von Angst und Argwohn, als sie
den Jeep vor ihrem Büro abstellte. Drinnen war es bereits
stickig. Aufgewühlt und verängstigt stellte sie die Klimaanlage
an und zog ihre Jacke aus. Als sie sie an die Garderobe hängte,
schwang die Tür hinter ihr auf.
Dillons breite Silhouette zeichnete sich gegen das
hereinfallende Sonnenlicht ab. Jade sagte: »Guten Morgen.« »Morgen.«
Es fiel ihr nicht leicht, ihm in die Augen zu schauen, nach
dem, was in der vergangenen Nacht vorgefallen war, und so
flüchtete sie sich ins Kaffeekochen. Ihr zitterten die Hände von
der Unterhaltung mit Neal, und sie verschüttete die Hälfte des
Kaffeepulvers. »Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, Sie zu
fragen, wie Ihre Reise war. Hatten Sie Erfolg?«
»Ja, denke schon.«
»Ich hatte Sie nicht vor Donnerstag zurückerwartet.« »Ich bin mit den Terminen schneller durchgekommen als
erwartet.«
»Haben Sie den Auftrag vergeben?«
»Ich wollte zunächst die Kandidaten mit Ihnen durchgehen.« »Gut. Ich brühe nur eben den Kaffee auf.«
»Dann arbeite ich also noch hier?«
Jade drehte sich abrupt zu ihm um. Er trug seine
Arbeitskleidung, war aber auf der Türschwelle stehengeblieben,
als warte er auf ihre Erlaubnis, eintreten zu dürfen.
»Natürlich arbeiten Sie hier noch. Und schließen Sie bitte
endlich die Tür. Sie lassen ja die ganze kalte Luft rein.« Er trat ein und schloß die Tür. »Ich war nicht sicher, ob ich
den Job noch habe, nach dem, was passiert ist. Eigentlich habe
ich gedacht, daß Sie mich feuern.«
Sie wünschte sich manchmal, daß er mehr als nur ein
Unterhemd tragen würde. Besonders heute. Es war ihr fast
unmöglich, seine entblößte Brust anzuschauen, aber noch
weniger konnte sie seinen intensiven Blick ertragen.
»Sie wegen eines albernen, kleinen Kusses zu feuern, wäre
wohl kaum fair, oder?«
Sie spielte den Kuß herunter, weil es der einzige bequeme und sichere Ausweg aus der Situation war. Mit anderen Worten: Sie machte einen Rückzieher. Wenn sie dem Kuß die Bedeutung nicht nahm, würde sie Dillon ins Gebet nehmen müssen, und das wiederum würde heißen, daß sie sich mit ihren eigenen, ambivalenten Gefühlen auseinandersetzen mußte. Und dazu war
sie noch nicht bereit.
Ja, der Kuß hatte sie erschüttert. Er hatte ihr angst gemacht.
Doch gekoppelt an diese Reaktion, die sie mittlerweile als
normal bei sich empfand, war ein Gefühl der Verwirrung
gewesen, das der tiefsitzenden Neugier entsprang, was wohl
geschehen wäre, wenn sie ihm nicht Einhalt geboten hätte. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und immer wieder
überlegt: Wie wäre es weitergegangen, wenn ihr Nein nicht
gereicht hätte, um sein Verlangen zu löschen? Ganz gleich, wie
sie die hypothetische Frage formulierte, die Antwort war immer
dieselbe. Seine Zärtlichkeiten wären drängender geworden. Die
Kleider wären bald gefallen, und er hätte erwartet, daß sie das,
was sich so hart an ihrem Schoß gerieben hatte, in sich
aufgenommen hätte. Er würde sie im intimsten Sinne kennen, so
wie sie ihn, seine Kraft, seine Stärke, seine Substanz. Allein
dieser Gedanke ließ sie innerlich wie äußerlich erschauern, und
das nicht unbedingt aus Abscheu oder Furcht. Genau darin lag
der Grund ihrer Verwirrung. Warum war sie nicht außer sich vor
Wut? Warum fühlte sie sich nicht abgestoßen?
Als Hank erst einmal begriffen hatte, wie sehr sie sich sperrte,
waren seine Versuche, sie zu verführen, sanft und süß gewesen.
In der Art jedoch, wie Dillon mit seinem Mund Besitz von
ihrem genommen hatte, wie er mit seiner Zunge in sie
eingedrungen war, hatte nichts Sanftes oder Süßes gelegen.
Abgesehen von Gary hatte noch niemand sie so geküßt. Und
wenn sie ganz ehrlich war, dann mußte sie zugeben, daß sie
überhaupt noch nie so geküßt worden war.
Ihre Reaktion auf Dillons
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