Brown Sandra
prügeln sich Männer nicht gerade um die Anerkennung der Vaterschaft. Meist ist es der umgekehrte Fall.«
»Die Umstände sind aber nicht normal.«
»Hast du mit beiden geschlafen?«
»Nein.«
»Also ist ihr Anspruch auf Graham völlig unbegründet?«
Sie sagte nichts.
»Wer ist sein Vater, Jade?«
»Ich weiß es nicht!«
»Dann hast du doch mit beiden geschlafen.«
»Nein!«
»Verdammt!« schrie er. »Sag mir endlich die Wahrheit!«
»Sie haben mich vergewaltigt!«
Die Worte hallten von den Wänden des kleinen Raums.
Sie sprengten fast Dillons Schädel. Sprachlos sah er Jade an. Wieder bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen.
»Sie haben mich vergewaltigt«, wiederholte sie leise. »Sie haben mich vergewaltigt.«
Dillon fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und blieb für einen Moment so. Als er sie wieder herunternahm, rieb er sich nervös die Oberschenkel. Er hatte es hören wollen. Er hatte sie so lange getriezt, bis sie es ihm sagte. Doch damit hatte er nicht gerechnet.
Er hatte mit den Geständnissen eines frühreifen, wilden Teenagers gerechnet oder denen einer eigentlich schüchternen Introvertierten, die durch lockeres Verhalten Aufmerksamkeit gesucht hatte, oder denen einer Rebellin, die sich gegen ihre strengen Eltern aufgelehnt hatte. Mit einer Vergewaltigung aber hatte er nicht gerechnet.
»Wann, Jade?«
»Im Februar meines letzten Jahres an der High School. Gary und ich hatten an diesem Tag unsere Zusagen für ein Stipendium erhalten.«
»Gary?« Jedesmal, wenn er glaubte, alle Figuren in diesem Drama zu kennen, trat eine neue auf.
»Gary Parker«, sagte Jade. »Wir gingen miteinander, aber es war mehr als das. Wir wollten heiraten und gemeinsam eine bessere Welt schaffen.«
Mit leiser, ferner Stimme erzählte ihm Jade von ihrer Beziehung. »Wir hatten so große Hoffnungen für die Zukunft. Ich habe ihn sehr geliebt.«
»Könnte er Grahams Vater sein?«
Sie sah zum Fenster, das mittlerweile ein Quadrat lavendelfarbenen Zwielichts war. »Nein, ich war noch Jungfrau, als sie mich vergewaltigten.«
»Gott, und die beiden sind ungeschoren davongekommen?«
Wieder sah Jade ihn an. »Es waren drei. Der dritte hieß Lamar Griffith. Er war ein schüchterner, sensibler Junge, der mitgemacht hat, um sich keine Blöße vor Neal zu geben.«
»Lebt er noch in Palmetto?«
Sie berichtete ihm von Lamars Schicksal. Nach einer langen Pause sagte Dillon: »Ich schätze, es war Neals Idee.«
»O ja«, antwortete Jade grimmig. »Er war ihr Anführer. Ohne ihn wäre es nie dazu gekommen. Aber Hutch und Lamar hätten es verhindern können. Doch auch sie haben mich genommen und dann einfach dort liegengelassen.«
»Dich wo liegengelassen?«
»Donna Dee wollte mich zu Gary fahren, weil ich ihm die gute Nachricht von dem Stipendium bringen wollte. Auf dem Weg dorthin ging uns der Sprit aus.«
Dillon lauschte ihrer Schilderung. Sie ließ kein einziges Detail aus. Ihre Erinnerung war noch immer kristallklar.
»Erst war ich nur wütend, als sie mit mir davonfuhren. Ich bekam Angst, als sie an der Abfahrt zu Garys Haus nicht abbogen. Statt dessen fuhren sie mit mir zum Kanal, wo sie vorher angeln gewesen waren. Neal befahl allen auszusteigen. Ich habe mich geweigert, aber er zog mich aus dem Wagen.«
»Und die beiden anderen haben einfach mitgemacht?«
»Es ist schwer zu erklären, aber Neal hatte sie völlig in der Hand. Sie hätten alles getan, was er gesagt hätte. Neal verteilte Dosenbier. Ich wollte keins. Als sie ausgetrunken hatten, fragte ich, ob wir endlich wieder fahren könnten. Neal antwortete: ›Noch nicht. ‹ Ich fragte: ›Warum nicht?‹ Und er sagte …« Sie brach ab und senkte den Blick. »Er sagte: ›Nun, bevor wir fahren, werden wir drei dich ficken‹.«
Dillon stützte die Ellenbogen auf die Stuhllehne und bedeckte den Mund mit den Fäusten. Er schloß die Augen und wünschte sich, er wäre niemals grob zu Jade gewesen, wünschte sich mit aller Macht, er hätte Neal Patchetts selbstgefällige Fresse eingeschlagen.
»Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, daß er es ernst meinte.« Jades Stimme klang hohl. Dillon wußte, daß sie jetzt nicht mehr hier bei ihm war. Sie war am Kanal, an jenem kalten, verregneten Abend im Februar.
»Ich drehte mich um und rannte los, aber Neal kam hinterher und packte mein Haar. Es tat weh. Ich schrie auf, mir traten die Tränen in die Augen. Ich hob die Arme und wollte mich befreien, aber ich schaffte es nicht. Neal nutzte den Moment, schlang den anderen Arm um meine
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