Brown Sandra
spottete Ivan ungläubig.
»Stimmt, sie ist weggerannt«, sagte Neal. »Aber nicht sonderlich schnell, eher so, als wollte sie gefangen werden. Ich hab’ sie an den Haaren erwischt. Wir haben so rumgetangelt. Sie hat so getan, als würde sie sich wehren– alles nur Show.«
»Das ist eine Lüge«, flüsterte Jade heiser und schüttelte heftig den Kopf. »Das ist eine Lüge. Er hat mir wehgetan. Er hat mir meinen…« Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie sah auf Neals schmutzige Jeans, dieselben, die er gestern abend getragen hatte. »Er hat mir die Strumpfhose und den Slip runtergerissen. Er hat sie in seine Hosentasche gesteckt. Sehen Sie nach …«
»Neal?« Fritz wies den Jungen an, die Taschen zu leeren.
Ivan sah über die Schulter zu Neal, der aus seiner rechten Hosentasche einen gelben Slip fischte. Velta erkannte ihn sofort und schlug die Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien.
Neal sah Jade mit einem bedauernden Blick an. Dann sagte er leise: »Das hast du mir als Souvenir gelassen, schon vergessen, Schätzchen?«
»Er lügt!« Jade schnellte hoch, rannte um den Tisch und ging mit den Fäusten auf Neals sardonisches Gesicht los. Fritz packte sie bei den Hüften und hielt sie zurück.
Die Tür ging auf, der Deputy spähte ins Zimmer. »Alles in Ordnung, Sheriff?«
»Ja, alles okay«, versicherte Fritz seinem Mitarbeiter.
»Äh, Sheriff… wegen des Berichts vom Labor…«
»Ja, was ist damit? Ich will ihn haben, sobald er eintrifft.«
»Darum geht es ja, Sheriff Jolly.« Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen. »Das wollte ich Ihnen ja gerade sagen. Der Abstrich und das andere sind aus Versehen in den Müll geraten. Die ganze Akte von Miss Sperry ist heute morgen mit dem Krankenhausmüll verbrannt worden.«
Als Jade das hörte, verließ sie der Mut. Sie sackte in Sheriff Jollys Armen zusammen und ließ sich von ihm zurück an ihren Platz führen. Mit einem gepeinigten Schluchzen brach sie zusammen. Das gesamte Beweismaterial war vernichtet. Selbst wenn der Arzt von der Notaufnahme aussagen würde, er konnte lediglich bestätigen, daß sie Geschlechtsverkehr gehabt hatte und daß es offensichtlich dabei ziemlich grob zugegangen sein mußte. Im Kreuzverhör konnte seine Aussage abgelehnt werden. Abgesehen davon würde er ihre Vergewaltiger nicht identifizieren können.
Nichts, was in diesem Raum gesagt worden war, würde vor Gericht als Beweis anerkannt werden– nicht einmal Neals Eingeständnis, daß er Sex mit ihr gehabt hatte. Er würde die Geschichte völlig umdrehen und sogar leugnen können, daß er überhaupt an dem Vorfall beteiligt war. Von jetzt an hieß es nur noch: Ihr Wort gegen seines.
Doch durch den schwarzen Nebel der Verzweiflung, der Jade zu ersticken drohte, blitzte auf einmal ein Lichtstrahl neuer Hoffnung. Sie hob abrupt den Kopf und sagte: »Donna Dee.«
»Was?« Sheriff Jolly sah sie an.
»Rufen Sie Donna Dee an. Sie wird bestätigen können, daß ich mich gewehrt habe. Sie hat gesehen, daß ich aus Neals Wagen raus wollte. Sie wird bezeugen, daß ich nicht freiwillig mitgefahren bin.«
Fritz warf einen Blick auf seine Armbanduhr und wies dann den Hilfssheriff an: »Rufen Sie bei den Monroes an. Versuchen Sie, das Mädchen noch vor der Schule abzufangen. Sagen Sie ihr, daß ich sie hier sprechen will, aber sagen Sie ihr nicht, worum es geht.«
Der Hilfssheriff grüßte und ging. Sie warteten. Velta nahm Jades Slip vom Tisch und steckte ihn in die Handtasche. Ivan bestellte Kaffee, der ihm von einer unterwürfigen Angestellten serviert wurde. Neal zog sich eine Coke aus dem Automaten im Wachraum. Um ihn nicht ansehen zu müssen, ließ Jade den Kopf erneut auf ihre verschränkten Arme sinken und schloß die Augen.
Sie sehnte sich nach Schlaf. Sie wollte endlich den grünen OPKittel und die lächerlichen Papierschuhe loswerden. Sie wollte sich das Haar kämmen und die Zähne putzen. Sie wollte allein sein, um weinen zu können um das, was sie für immer verloren hatte– ihre Unschuld. Gary, Gary seufzte sie still. Er würde ihr nicht die Schuld an der Vergewaltigung geben, doch sie war auch nicht so naiv zu glauben, daß die Ereignisse keine Auswirkung auf ihre Freundschaft haben würden. Der Gedanke daran war so quälend, daß sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
»Wie lange arbeiten Sie jetzt schon für mich, Velta?« hörte sie Ivan fragen. Er paffte noch immer seine scheußliche Zigarre. Der Qualm verursachte Jade Übelkeit.
»Schon sehr lange.«
»Wär’
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