Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
sehr natürlich und wunderschön.« Nils Lofgren, ein perfektionistischer und analytischer Musiker, staunte über das Talent seines Kollegen, die Dinge von der anderen Seite aus anzugehen. »Danny war ein Musiker, der sich auf seinen Instinkt verließ«, meint er. »Oft hätte er einem nicht einmal sagen können, welche Akkorde in einem Song vorkamen. Dafür konnte er mit einer sagenhaften Präzision unglaubliche Klänge weben. Er konnte spielen wie der Teufel und brachte dabei ungemein viel Seele und technisches Können ein.«
Hier auf seinem Balkon traten Clemons Tränen in die Augen. »Wir standen uns sehr nah, seit damals, als wir gemeinsam in diesem Haus gelebt haben. Er stand mit seiner Orgel auf meiner Bühnenseite, und wir machten da unser Ding. Wir sprachen immer über die Mädels in der ersten Reihe: ›Schau mal, die Kleine in dem weißen Hemdchen da rechts!‹ Mich hat sein Verlust besonders hart getroffen.«
Im November 2005 hatte Federici Knoten auf seinem Rücken entdeckt. Er ging zum Hautarzt, und der stellte ein Melanom fest – schwarzen Hautkrebs. Eine Krebstherapie hielt die Krankheit eine Weile in Schach, aber als die Magic -Tour im Herbst 2007 startete, brach der Krebs mit voller Wucht durch. Federici nahm an allen Proben teil und saß auch bei der großen Today -Show zum Albumstart hinter den Tasten. Danach brach er mit den anderen zur ersten Etappe der Welttournee auf, die sie sechs Wochen lang durch den Osten und Mittleren Westen der USA und für vier Gigs nach Kalifornien führte. Als sich Anfang November herausstellte, dass Federici die Tournee abbrechen musste, bat Bruce Charlie Giordano, den Keyboarder und Akkordeonspieler der Seeger Sessions Band, einzuspringen. Giordano studierte Bruce’ Songs eine Woche lang ein, wobei ihn Federici nach Kräften unterstützte. Dann ging Giordano mit auf Tournee, um dem E-Street-Organisten bei der Arbeit zuzusehen. »Ich habe mir drei Auftritte angeschaut, und Danny war ungemein liebenswürdig und hilfsbereit«, sagt er, »obwohl er so starke Schmerzen hatte und so bedrückt war.«
Bei den letzten Verbeugungen am Ende der ersten Etappe der Magic -Tour steuerte Bruce auf Federici zu, legte den Arm um seine Schulter und zog ihn zur Bühnenmitte. Mit Bruce an der einen Seite und Steve Van Zandt an der anderen lächelte er ins Scheinwerferlicht – das einzige E-Street-Mitglied, das von sich behaupten konnte, schon länger in der Band zu sein als Bruce (er und Lopez hatten Bruce als Gitarristen und Frontman für Child angeheuert). Er schmiegte sich in die Umarmung seines Freundes. Federici rief Bruce etwas ins Ohr und beide lachten.
Bruce und die Band nahmen sich sechs Tage frei und flogen dann über den Atlantik zu einem dreiwöchigen Trip durch Europa. Als am 26. November das Konzert in Mailand mit »Radio Nowhere« begann, saß Giordano an Federicis Platz. Er saß dort während der ganzen Europatour und bis in die zweite amerikanische Etappe hinein. Am 20. März 2008, in Indianapolis, räumte Giordano nach dem ersten Dutzend Songs seinen Platz und verließ die Bühne.
»Wir haben heute Abend eine Überraschung für euch!«, verkündete Bruce. Mit einem breiten Lächeln unter seiner dunklen Schiebermütze glitt Federici auf die Orgelbank und stürzte sich so selbstverständlich in »The Promised Land«, als sei er nie weg gewesen. Als Nächstes kam »Spirit in the Night«. Dann kam Federici mit seinem Akkordeon nach vorne. »Bevor wir auf die Bühne gingen, habe ich ihn gefragt, was er spielen möchte«, erzählte Bruce einige Wochen später. »Er sagte ›Sandy‹. Er wollte sich das Akkordeon umhängen und noch einmal zur Strandpromenade unserer Jugend zurückkehren, zu den Sommerabenden, an denen wir über die Holzbohlen schlenderten und alle Zeit der Welt hatten … Er wollte noch einmal den Song spielen, der auch davon handelt, wie etwas Wunderbares zu Ende geht und etwas Unbekanntes und Neues beginnt.« Federicis Krebs hatte bereits gestreut, in seinem Gehirn hatten sich Metastasen gebildet. Das nächste Mal spielte Bruce den Song bei seiner Trauerfeier am 21. April in Red Bank.
Nach Federicis Tod sagten Bruce und die Band drei Konzerte ab. Erst am 22. April traten sie wieder in Tampa auf. Das Konzert begann mit einem Film zum Andenken an ihren verstorbenen Organisten. Nachdem der Film zu Ende war, richtete sich ein einzelnes Spotlight auf die herrenlose Hammond B3 und verweilte dort einen Moment, bis »Backstreets« angestimmt wurde, der
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