Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Bluesmusikers zurückkam, juchzte Bruce vor Freude. »Hey, da kommt Johnny Chicago!«, sagte er. »Was machst du hier, Mann?« Lyon, der sich mit den Blueslegenden aus Chicago auskannte, konterte: »Nenn mich nicht einfach Chicago, Mann. Ich bin von der South Side.« Und so wurde Johnny Lyon zu Southside Johnny, und die Blues-Improvisation, die kurz darauf unter seiner Leitung entstand, zum »Southside Shuffle«.
Welchen Bandnamen sollte man diesem sonderbaren Haufen geben? Zunächst einigten sie sich auf Bruce Springsteen and the Friendly Enemies, eine spontane Idee von West. Doch dann kamen sie auf den etwas einprägsameren Namen Dr. Zoom and the Sonic Boom, allerdings waren die Plakate für den Gig im Sunshine In da bereits gedruckt. Also waren sie vorerst die Friendly Enemies, zumindest für ihren Auftritt am 27. März.
Die Show, die sie den Zuschauern bei dem ausverkauften Allman-Brothers-Konzert im Sunshine In boten, kam gut an. Das Publikum war begeistert von den Dirigentenstäbe schwingenden Sängern, den Sketche aufführenden Komikern, den vier stummen Monopoly-Spielern und dem Mechaniker (Upstage-Türsteher Eddie Luraschi), der ganz vorne am Bühnenrand neben einem Motorrad hockte und mit großer Hingabe die Zündkerzen justierte. Springsteen tat was er konnte, um seinen Teil zu diesem merkwürdigen Bühnengeschehen beizutragen. Er legte die Gitarre beiseite und tanzte mit dem Backgroundchor, setzte eine dicke Hornbrille auf und saß zumindest einen Song lang auf einem Stuhl am Monopoly-Tisch.
Die Headliner des Abends, die ihre Vorgruppe vom Backstagebereich aus beobachteten, waren von dieser Darbietung ebenso amüsiert wie beeindruckt. »Die Allmans waren so cool«, erinnert sich Saxofonist Bobby Feigenbaum. »Wir waren nur ein paar Jungs aus der Gegend hier, aber sie waren wirklich nett zu uns. Duane Allman war echt beeindruckt von Steves Slides. Ich weiß noch, dass er Steve sagte, er sei der beste Slide-Gitarrist im ganzen Land – abgesehen von ihm selber.« Nach der Show nahm Duane Van Zandt beiseite und zeigte ihm noch ein paar Licks. Und dann einigten sie sich darauf, dass die Friendly Enemies/Dr. Zoom bei dem im November geplanten nächsten Konzert der Allman Brothers in Asbury Park erneut das Vorprogramm bestreiten sollten. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen: Duane Allman starb Ende Oktober bei einem Motorradunfall.
Im Frühjahr verlegte West seine Surfbrettfabrik ins siebzehn Meilen weiter nördlich gelegene Atlantic Highlands. Und so zogen auch das gesamte elektronische Equipment und die Kommandozentrale, von der aus Bruce’ Karriere gesteuert wurde, dorthin um. Die meisten der Musiker gingen noch einer anderen Beschäftigung nach, um über die Runden zu kommen; Lopez jobbte beispielsweise auf einer Bootswerft und Van Zandt auf Baustellen. Bruce blieb seiner einmal getroffenen Entscheidung, niemals irgendetwas anderes als Musik zu machen, jedoch treu. Er verdiente sich sein Geld mit Soloauftritten in kleinen Cafés entlang der Küste und als zweiter Gitarrist in Van Zandts Sundance Blues Band, in der auch Lopez, Tallent, Johnny Lyon und eine Zeit lang ein Gitarrist namens Joe Hagstrom spielten. Als Upstage-Chef Tom Potter ihn für ein Bandkonzert buchte, nahm Bruce einfach die Rhythmusgruppe seiner neuen Band und trat mit ihr als Bruce Springsteen and the Hot Mammas auf. West bemühte sich unterdessen um Auftritte für Dr. Zoom and the Sonic Boom, wobei niemand davon ausging, dass Dr. Zoom ein langlebiges Projekt sein würde: Ihr offizielles Bühnendebüt feierte die Formation mit einer Show am 14. Mai im Sunshine In, und schon einen Tag später gab sie im Newark State College ein Abschiedskonzert.
In der Zwischenzeit liefen die Proben für das Big-Band-Projekt weiter, das entsprechend Bruce’ neuem Entschluss, sich als Bandleader und Frontman zu etablieren, mittlerweile unter dem Namen Bruce Springsteen Band firmierte.
Die neunköpfige Bruce Springsteen Band trat zum ersten Mal am Nachmittag des 10. Juli beim jährlichen Nothings Festival des Brookdale Community College auf. Das Vorprogramm bestritten mit Sunny Jim, Odin und Jeannie Clark drei weitere von West gemanagte Acts. Alle, die auf harten Rock’n’Roll à la Steel Mill gewartet hatten, wurden vermutlich enttäuscht (obschon die neue Band auch eine Coverversion von »Goin’ Back to Georgia« spielte). Doch auch der etwas jazzigere Big-Band-Sound ließ Bruce ausreichend Raum für seine Gitarren-experimente. Besonders hoch
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