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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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keinen Fall durfte man Philips Verschwinden zu früh entdecken - andererseits wäre sicherlich sogleich das Mißtrauen seines Helfers erregt worden, wenn er einen leeren Raum abgeschlossen hätte.
    Sie gingen über den geschäftigen Burghof und traten durch das Torhaus in das trübe graue Dezemberlicht hinaus. Der Wächter auf dem gepflasterten Vorplatz ging teilnahmslos an ihnen vorüber. An den Toten lag keinem etwas; die Wächter sollten ein Auge darauf haben, daß beim Abzug der Besatzung niemand Waffen und wertvolle Ausrüstungsteile mitnahm, und wohl auch darauf, daß unter den Verwundeten nicht Philip FitzRobert aus der Burg geschmuggelt wurde. Wenige Schritte links neben dem aufgeschütteten Damm waren Männer dabei, das Gemeinschaftsgrab auszuheben. Dort hatte man die Toten einen neben den anderen hingelegt.
    Zwischen diesem Ort der Trauer und dem Waldrand waren einige Dörfler versammelt, und vielleicht auch der eine oder andere, der von weiter her gekommen war, um neugierig und unbeteiligt zuzuschauen. Das einfache Volk brachte keiner der beiden Parteien große Sympathien entgegen, aber man war froh, daß die Bedrohung einstweilen vorüber war. Vielleicht nahm ja wieder ein Angehöriger der Familie Musard Wohnung in Greenhamsted. Noch nach vier Generationen war sie bei ihren Nachbarn durchaus beliebt.
    Ein von zwei Pferden gezogener Leiterwagen kam den Hang aus dem Flußtal herauf und näherte sich langsam dem Torhaus. Auf dem Bock saß ein bärtiger Mann um die fünfzig Jahre von stämmiger Natur und wohlbeleibt.
    Feiner Staub bedeckte seine aus grobem grünen Wolltuch bestehende Kleidung samt Schulterkoller und Mütze und deutete darauf hin, daß es sich um einen Müller handelte.
    Der hochaufgeschossene junge Bursche, der hinter ihm hockte und dem ein aufgeschnittener Mehlsack vom Kopf auf die Schultern hing, trug, wie es auf dem Lande üblich war, ein loses graubraunes Hemd und eine graubraune Kniehose. Beim Anblick der beiden schickte Cadfael ein stummes Dankgebet zu Gott empor.
    Als der Müller die Reihe der verhüllten Leiber sah, führte er die Pferde beiseite ohne weiter auf die Wächter vor dem Tor zu achten und ging geradenwegs dorthin, wo die Männer gruben. Man brachte gerade die letzten heraus und legte sieneben die übrigen. Der Kaplan stolperte hinterdrein, traurig und kraftlos. Sein Gehilfe blieb beim Fuhrwerk zurück. Der Müller wandte sich an Cadfael, und zwar so laut, daß auch der Kaplan seine Worte hören konnte.
    »Bruder, einer meiner Neffen hat hier unter Camville gedient, und seine Mutter macht sich Sorgen um ihn.
    Könnt Ihr mir etwas über ihn sagen? Wir haben gehört, daß Ihr Tote habt, und noch mehr Verwundete.«
    Er hatte die Stimme ein wenig gesenkt, während er näher kam. Sein Gesicht war so reglos, als wäre es aus Eichenholz geschnitzt.
    »Noch braucht Ihr nicht das Schlimmste zu befürchten«, antwortete Cadf ael und sah den Mann an. In seinen Augen, die nicht braun und nicht blau waren, erkannte er einen wachen Geist. Der Kaplan war ein Stück weiter stehengeblieben und unterhielt sich mit dem Hauptmann von FitzGilberts Wache. »Geht mit mir die Reihe ab und seht nach, ob einer von ihnen Euer Mann ist. Laßt Euch dabei ruhig Zeit«, sagte Cadfael gelassen. Das leiseste Anzeichen von Hast würde sie unfehlbar verraten.
    Sie schritten gemeinsam von einem zum anderen, sprachen gedämpft miteinander, beugten sich nieder, um hier oder da ein Gesicht aufzudecken und einen kurzen Blick darauf zu werfen. Jedesmal schüttelte der Müller den Kopf.
    »Ich habe ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, aber ich würde ihn erkennen.« Die Worte kamen ihm leicht von den Lippen. Er hatte einen Verwandten erfunden, der ihm nicht so nah stand, daß sein Tod ein peinigender Verlust wäre und Anlaß zu langer und tiefer Trauer lieferte. Dennoch war es ein Angehöriger, den man nicht einfach seinem Schicksal überläßt. »Er ist um die dreißig, schwarzhaarig, ein guter Kämpfer mit der Lanze und am Bogen. Er hat sich nie gedrückt und sich immer ins Getümmel gestürzt, wo es am größten war.«
    Sie hatten jetzt das Strohlager erreicht, auf dem Philip lag, so still und stumm, daß Cadfael einen Moment zweifelte, bis er dankbar ein plötzliches Erschauern und einen leisen Atemzug wahrnahm. »Hier ist er!«
    Zwar hatte der Müller nicht den Mann erkannt, wohl aber den richtigen Zeitpunkt. Er brach ab, erstarrte und trat einen kleinen Schritt zurück. Dann beugte er sich nieder, von

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