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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Cadfael gedeckt, und tat so, als ziehe er das Tuch von Philips Gesicht zurück, ohne es aber zu berühren. So blieb er eine ganze Weile über ihn gebeugt, als wolle er sich seiner Sache vergewissern. Dann erhob er sich langsam wieder und sagte deutlich vernehmbar: »Er ist es!
    Das ist der Sohn unserer Nan.«
    Er fuhr mit einer Stimme fort, in der nahezu ebenso viel Verzweiflung wie Kummer lag, zugleich aber auch die Bereitschaft, sich mit den Tatsachen abzufinden.
    Dies lehrte die Erfahrung nach leidvollen Jahren des Lebens in einem Land, das schon lange keine Ordnung mehr kannte und in dem der Tod unerwartet auftrat und nach Belieben holte, wen er haben wollte. »Ich hätte mir denken können, daß er nicht alt wird. Immer hat es ihn dahin gedrängt, wo das Feuer am heißesten brannte.
    Nun, was soll man sagen? Man kann sie nicht zurückholen.«
    Einer der Grabenden, der in der Nähe stand, hatte eine Weile innegehalten, um den Rücken zu strecken. Er sah den Müller mitfühlend an: »Es ist schlimm, hier einen Angehörigen wiederzusehen. Gewiß wollt Ihr ihn mitnehmen, damit er bei seinen Vorfahren ruhen kann? Vielleicht erlauben sie es. Auf jeden Fall besser, als mit all denen hier als einer von vielen Namenlosen in die Grube gelegt zu werden.«
    Ihr Gespräch hatte die Aufmerksamkeit der Wachen auf sie gelenkt. Der Hauptmann sah herüber und würde, vermutete Cadfael, gleich zu ihnen treten. Es war besser, das zu verhindern, indem er selbst hinging und ihm die ganze Geschichte vortrug.
    »Ich frage den Hauptmann«, bot er dem Müller an, »wenn Euch das recht ist. Es ist ein Akt der christlichen Nächstenliebe, sich um die arme Seele zu kümmern.« Zielstrebig schritt er, vom Müller gefolgt, auf das Tor zu. Der Hauptmann blieb stehen und wartete ihre Ankunft ab.
    »Herr, hier ist der Müller von Winstone, das hinten am Fluß liegt«, begann Cadfael. »Er hat unter den Toten seiner Schwester Sohn entdeckt und würde ihn gern mitnehmen, damit sie ihn im Grab der Familie beisetzen können.«
    »Ach ja?« Flüchtig musterte der Hauptmann den Bittsteller und verlor vermutlich bereits jegliches Interesse an einem so banalen Vorfall. Nach kurzem Überlegen zuckte er mit den Schultern: »Warum nicht? Er mag ihn mitnehmen. Ob er hier begraben wird oder woanders, er wird nie wieder bluten oder Blut vergießen. Auf einen mehr oder weniger kommt es ohnehin nicht an... Es wäre nicht das Schlechteste, wenn wir sie alle auf einen Schlag los würden.«
    Der Müller von Winstone verneigte sich tief vor ihm und versicherte ihn seiner Dankbarkeit. Sofern darin eine Spur von Spott lag, merkte der Hauptmann es nicht.
    Schwerfällig ging der Müller zu seinem Fuhrwerk hinüber, das der hochaufgeschossene junge Bursche mit dem Sack auf Kopf und Schultern schon herangebracht hatte.
    Vor den Augen der selbstgefällig zusehenden Wachposten des Marschalls hoben sie vorsichtig die Bahre hinauf, auf der Philip lag. Cadfael, der unterdessen die Pferde hielt, sah nur einmal kurz zu dem jungen Mann auf, dessen Gesicht im Schatten seiner Sack-Kapuze lag. Er begegnete dabei einem liebevollen und jubelnden Blick aus schwarzen Augen mit goldumrandeten Pupillen. Offenbar war Olivier sicher, daß sie mit ihrem Unternehmen Erfolg haben würden. Kein Wort fiel. Der junge Mann setzte sich auf das Fuhrwerk und hielt das Kopfende der schmalen mit Stroh bedeckten Bahre zwischen den Knien. Dann stieg auch der Müller von Winstone auf und wandte das Gespann wieder dem Fluß zu. Ohne Eile und ohne sich ein einziges Mal umzusehen, lenkte er es den mit welkem Gras bedeckten Hang hinab, das Musterbild eines rechtschaffenen Mannes, der seine Pflicht getan hat und niemandem Rechenschaft dafür schuldet.
    Um die Mittagszeit erschien FitzGilbert mit einem starken Trupp Bewaffneter vor dem Tor, um den Abzug der Verteidiger von La Musarderie zu überwachen und darauf zu achten, daß sie alle Habe zurückließen. Diese hatten einige ihrer Verwundeten, die wohl reiten, aber nicht lange marschieren konnten, auf Pferde gesetzt und die übrigen auf die Fuhrwerke gelegt, die ihnen zur Verfügung standen. Unverletzte Krieger flankierten sie links und rechts, damit sie sich notfalls um ihre verwundeten Gefährten kümmern konnten. Cadfael hatte rechtzeitig daran gedacht, sein Eigentumsrecht an Hughs schönem Rotschimmel geltend zu machen und blieb bei dem Tier im Stall, um seinen Anspruch gegebenenfalls durchzusetzen. Hugh würde mir die Ohren abreißen, dachte er, wenn

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